Nachrufe

In Erinnerung

Die DGMS hat in den vergangenen Jahren einige Nachrufe auf Persönlichkeiten in der Massenspektrometrie veröffentlicht, die in dieser Rubrik zusammengestellt sind.

2023

Michael Przybylski

* 25.3.1948; † 27.2.2023

Der Vorstand der DGMS hat am 28. Februar erfahren, dass der ehemalige Vorsitzende der Gesellschaft und ihr langjähriges Mitglied, Michael Przybylski, plötzlich und unerwartet am 27.2.2023 verstorben ist.

Der Vorstand der DGMS trauert mit der Familie Przybylski, den vielen Freunden und Bekannten von Michael Przybylski und möchte seine tiefe Anteilnahme aussprechen.

Michael Glocker, ein langjähriger Freund und Weggefährte von Michael Przybylski, DGMS Mitglied und Direktor des Proteome Centers Rostock, hat den folgenden Nachruf zugesandt, der von ihm und Wolfgang Kleinekofort, Hochschule RheinMain, verfasst wurde.

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Michael Przybylski

Michael Przybylski studierte Chemie und promovierte an der Universität Mainz. Nach seiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Bioorganischen Chemie in Mainz verbrachte er zwei Jahre als Gastwissenschaftler am National Cancer Institute, NIH/USA. Im Jahr 1989 wurde er auf den Lehrstuhl für Analytische Chemie an der Universität Konstanz berufen, wo er als Direktor des Labors für Analytische Chemie und Biopolymerstrukturanalyse tätig war. Aus dem überaus produktiven Konstanzer Labor sind über einhundert promovierte und diplomierte / Master Biologen, Chemiker und Biochemiker sowie mehr als ein Dutzend national und international tätige Hochschullehrer hervorgegangen. Noch während seiner professoralen Tätigkeit eröffnete er 2008 das Steinbeis-Zentrum für Biopolymeranalytik und Biomedizinische Massenspektrometrie, das acht Jahre an der Universität Konstanz angesiedelt war. Nach seiner Emeritierung hat Michael Przybylski das Steinbeis-Zentrum 2016 in Rüsselsheim angesiedelt. Er war bis zum heutigen Tage Direktor des von ihm gegründeten Forschungszentrums.

Seit 2016 gab es eine fruchtvolle Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Ingenieurwissenschaften der Hochschule RheinMain. Prof. Przybylski hat zwei internationale Massenspektrometrie-Workshops sowie eine Summer School am Fachbereich ausgerichtet. Zudem war er als Lehrbeauftragter tätig und unterrichtete die Studierenden des Masterstudiengangs „Medizintechnik“ der Hochschule RheinMain.

Durch seinen Einsatz und seine anwendungsbezogene biochemische Expertise weitete er den Blick der zukünftigen Ingenieurinnen und Ingenieure hin zur Medizin und zu den Biowissenschaften. Erst durch Einbeziehung des Steinbeis-Zentrums wurde es der Hochschule möglich, Praktika und wissenschaftliche Abschlussarbeiten an der Schnittstelle zwischen Ingenieurwissenschaften und biomedizinischer Analytik in die Ausbildung der zunehmend international orientierten Studierenden zu integrieren.

Von Beginn an war die Forschung von Michael Przybylski interdisziplinär und in vielerlei Hinsicht bahnbrechend. Sie brachte neue massenspektrometrische Methodenkombinationen hervor, die weltweit eingesetzt werden. Er hat gemeinsam mit einem Wissenschafts-Konsortium die Proteolyse-ExzisionsMassenspektrometrie zur Aufklärung von Protein-Ligand-Wechselwirkungsstrukturen und Peptid/Protein-Epitopen erfunden und die Strukturen mehrerer Membranproteine, wie z.B. des Lungensurfactant-Protein-C, aufgeklärt. Sein Laboratorium hat zahlreiche neue Entwicklungen und Anwendungen von Methoden der Biopolymer-Massenspektrometrie in Kombination mit protein- und peptidchemischen Methoden, der Tertiärstruktur-Charakterisierung durch proteinchemische Modifikation und Massenspektrometrie sowie der massenspektrometrischen Bestimmung von Biopolymer- Erkennungsstrukturen durchgeführt. Seine aktuellen Forschungsarbeiten konzentrierten sich auf die Entwicklung von Biosensor- und Massenspektrometrie-Technologien zur Aufklärung von Antikörper-Epitopen sowie Anwendungen der Massenspektrometrie zur Strukturaufklärung und pathophysiologischen Modifikation von lysosomalen Proteinen.

Michael Przybylski hat über 400 wissenschaftliche Publikationen in internationalen Fachzeitschriften sowie rund 25 Patente veröffentlicht, und er hat etwa 150 eingeladene Vorträge gehalten. Er wurde mit dem St. Denis-Preis für Krebsforschung, mehreren internationalen Gastprofessuren, dem LifeScience-Preis der Deutschen Gesellschaft für Massenspektrometrie und der Ehrendoktorwürde der Universität Iasi, Rumänien, ausgezeichnet. Er war Gastprofessor der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, Adjunct Professor für Analytische Chemie an der Indiana University und Adjunct Professor für Biochemie an der Victoria University. Er war zudem Mitglied der wissenschaftlichen Ausschüsse mehrerer internationaler Konferenzen, Herausgeber und Mitglied des Editorial Board mehrerer internationaler Zeitschriften und von 2000 bis 2003 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Massenspektrometrie.

Michael Przybylski ist plötzlich und unerwartet am 27.2.2023, kurz vor seinem 75. Geburtstag, verstorben. Er ist mitten aus dem Leben geschieden. Mit ihm ist eine fachlich überaus kompetente Persönlichkeit und ein stets Menschen verbindender sowie sehr geschätzter Freund von uns gegangen.

Michael Glocker, Wolfgang Kleinekofort


2021

Jochen Franzen

Am 29.10.2021 wurde Dr. Jochen Franzen, Initiator der Gründung der Deutschen Gesellschaft für Massenspektrometrie im Jahre 1997 und seitdem Mitglied der DGMS, auf dem Friedhof Riensberg in Bremen im Kreise seiner Familie, langjähriger Freunde und Vertretern der Firma Bruker Daltonics, beigesetzt. Dr. Franzen verstarb bereits am 24.9.2021.

Dr. Franzen war hoch angesehener Wissenschaftler, außerordentlich talentierter und begabter Erfinder, unternehmerische Führungspersönlichkeit, Mentor und vielfältiger Förderer junger, aufstrebender Menschen. Er hat das von ihm gegründete Unternehmen, die Dr. Franzen Analysentechnik GmbH, die in angemieteten Flächen einer Schnapsfabrik in Bremen ihren Beginn nahm, zu einem sehr erfolgreich weltweit operierenden Massenspektrometerhersteller, der Bruker Daltonics GmbH & Co. KG, geführt, die heute über 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt.

Jochen Franzen während der IMSC 2009 in Bremen
Jochen Franzen während der IMSC 2009 in Bremen

In den Jahren 1974–1976 und 1995–1997 war Dr. Franzen Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Massenspektrometrie (AGMS), die ein loser Zusammenschluss von Mitgliedern der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh), der Bunsengesellschaft für Physikalische Chemie und der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) war. Die AGMS wurde von Dr. Franzen durch die Gründung der DGMS 1997 in Bremen in einen gemeinnützigen „Verein zur Förderung von Wissenschaft und Forschung sowie der Bildung insbesondere auf dem Gebiet der Massenspektrometrie“ überführt.

Dr. Franzen wurde 2005 die Ehrendoktorwürde der Universität Bremen verliehen, die damit die großen wissenschaftlichen Leistungen von Jochen Franzen, seine Zusammenarbeit mit dem Studiengang Chemie und seine vielfältige Unterstützung der Universität Bremen würdigte. Dr. Franzen erhielt der Ehrenmedaille der DGMS im Jahr 2006.

Die Nachricht vom Tod Dr. Franzens hat viele von uns tief getroffen. Der Vorstand der DGMS möchte im Namen ihrer Mitglieder der Familie Franzen ihre tiefe Anteilnahme aussprechen und wünscht ihr all den Willen und die Hoffnung die nötig ist, um einen so großen Verlust zu begreifen und zu verkraften – um dann immer wieder die vielen Erinnerungen als Weiterleben und Trost empfinden zu können.

Thorsten Benter, Bremen, 29.10.2021


Fred McLafferty

(* 11. März 1923 in Evanston, Illinois; † 26. Dezember 2021 in Ithaca, New York)

Ein Buch, das MassenspektrometrikerInnen vermutlich alle einmal in der Hand gehalten haben, ist „Interpretation von Massenspektren“ von Fred McLafferty. Nun ist sein Autor, ein Pionier der Massenspektrometrie und Entdecker der nach ihm benannten McLafferty-Umlagerung, einer chemischen Reaktion, die nur unter den Bedingungen der Massenspektrometrie ablaufen kann, im Alter von 98 Jahren verstorben. Er war bis ins hohe Alter wissenschaftlich aktiv und hat noch mit über 90 Jahren zur electron capture dissociation (ECD) von Proteinen publiziert.

Fred McLafferty während der IMSC 2009 in Bremen
Fred McLafferty während der IMSC 2009 in Bremen

Als organischer Chemiker verstand Fred McLafferty früh den Nutzen der Massenspektrometrie für die chemische Analytik und leitete bereits 1950 die Bereiche Massenspektrometrie und Gaschromatographie bei Dow Chemical. Mit Kollegen koppelte er beide Techniken und entwickelte die ersten GC/MS-Geräte, die ihn bald weithin bekannt machten. McLafferty nahm 1968 die Debye-Professor für Chemie an der Cornell University an, wo er die Grundlagenforschung sowie die Applikationen der Massenspektrometrie weiter vorantrieb, insbesondere auch mit hochauflösenden Spektrometern. Sein Name ist mit der ECD, der Fragmentierung von Ionen in der Gasphase, untrennbar verbunden. Als treibende Kraft beteiligte sich Fred McLafferty ebenfalls an der Erstellung von MS-Datenbanken und zeichnet verantwortlich für The Wiley/NBS Registry of Mass Spectral Data.

Die DGMS gedenkt eines herausragenden Wissenschaftlers und Urgesteins der Massenspektrometrie. Fred McLafferty wurde mit zahlreichen Ehrungen und Preisen wie der J.J. Thomson Gold Medal (1985, IMSC) und der Distinguished Contribution to Mass Spectrometry der ASMS (2003) gewürdigt. In der Massenspektrometrie-basierten Analytik und weit darüber hinaus bleibt Fred McLafferty unvergessen.


2019

Prof. Dr. Herbert Budzikiewicz

Die Deutsche Gesellschaft für Massenspektrometrie nimmt Abschied von Prof. Dr. Herbert Budzikiewicz, der am 9. Juli 2019 im Alter von 86 Jahren verstarb. Nach dem Studium der Chemie und Promotion im Fach Organische Chemie war der gebürtige Wiener von 1961 bis 1965 an der Stanford University, USA, als Leiter der Abteilung für Massenspektrometrie tätig. Bereits 1966 habilitierte er sich an der TU Braunschweig und war seit 1970 als ordentlicher Professor an der Universität zu Köln tätig.

Seine umfangreichen wissenschaftlichen Arbeiten führte er sowohl auf dem Gebiet der Entwicklung und Anwendung massenspektrometrischer Methoden, als auch im Bereich der Naturstoffchemie aus. Sie führten zu annähernd 500 wissenschaftlichen Publikationen und zahlreichen Buchbeiträgen, wie dem Lehrbuch „Mass Spectrometry of Organic Compounds“ (Holden Day, San Francisco, 1967), das er zusammen mit Carl Djerassi und Dudley Williams verfasste und dem inzwischen in der 6. Auflage zusammen mit Mathias Schäfer, Univ. Köln, erschienenen Buch „Massenspektrometrie: eine Einführung“ (Wiley-VCH, Weinheim, 2012).

Herbert Budzikiewicz war jahrzehntelang ein aktives Mitglied der DGMS bzw. ihrer Vorgängerorganisation AGMS, deren Vorsitz er von 1983 bis 1985 innehatte. Im Jahr 2004 wurde Herbert Budzikiewicz von der DGMS mit dem Wolfgang-Paul-Vortrag ausgezeichnet, den er zur Eröffnung der 37. Jahrestagung in Leipzig hielt (Bild).
Wir trauern um einen großen Massenspektrometriker.

Herbert Budzikiewicz beim Wolfgang-Paul-Vortrag in Leipzig 2004.
Herbert Budzikiewicz beim Wolfgang-Paul-Vortrag in Leipzig 2004.

2017

Prof. Dr. Alfred Benninghoven

Im Alter von 85 Jahren verstarb am 22. Dezember 2017 Prof. Dr. Alfred Benninghoven. Sein Name ist untrennbar verknüpft mit der beeindruckenden Entwicklung der Sekundärionen-Massenspektrometrie in den vergangenen 50 Jahren.

In den 1970er Jahren entwickelte er mit der „static SIMS“-Methodik die Grundlagen für die heute weltweit eingesetzte TOF-SIMS-Technologie. In den 1980er Jahren war er in Münster neben der Erforschung materialwissenschaftlicher Fragestellungen auch intensiv beteiligt an den Diskussionen zur Bildung großer Molekülionen. Er organisierte unter anderem die Tagungsserien „SIMS I – XIV“, „SIMS Europe I – VI“ sowie die Tagungsserie „IFOS I – V“ (Ion Formation from Organic Solids), die neben der Sekundärionen-Massenspektrometrie die wichtigen „Meilenstein“-Methoden Plasmadesorption (PDMS), Laserdesorption (LDMS), Thermospray, Liquid SIMS, Fast Atom Bombardment (FAB), Matrix-unterstützte Laserdesorption/Ionisation (MALDI) sowie verschiedene Nachionsisationsverfahren behandelte. Alfred Benninghoven hat den Kontakt zu den verschiedenen Strömungen der modernen Massenspektrometrie auch nach seiner Emeritierung im Jahre 1997 bis ins hohe Alter aufrecht erhalten. Er wird als ein bedeutender Massenspektrometriker unvergessen bleiben.

Jahrestagung der DGMS 2003, Münster: (v.l.n.r.) Franz Hillenkamp (+ 2014), Jasna Peter-Katalinic, Manfred Hesse (+ 2011), Hans-Friedrich Grützmacher, Alfred Benninghoven (+ 2017).

Text: Bernhard Spengler, Bild: Jürgen Gross

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