55th ASMS Conference on Mass Spectrometry

3. bis 7. Juni 2007 in Indianapolis

Die von Judith A. Sjoberg, Geschäftsführerin der ASMS, genannten Zahlen sind eher abschreckend: 6342 Teilnehmer aus aller Welt präsentierten 330 Vorträge und 2250 Poster in gut vier Tagen, während 185 Firmen mit Ständen und Corporate Posters in der Ausstellungshalle um deren Gunst warben. Die Rede ist von der alljährlichen Konferenz der American Society for Mass Spectrometry (ASMS), die 2007 in Indianapolis stattfand. Seit der ersten ASMS-Konferenz 1970 in San Francisco, die zugleich noch als 18th ASTM Meeting firmierte und überschaubare 800 Teilnehmer hatte, hat sich bis zur 55th ASMS ein gewaltiger Zuwachs ergeben. Um dem Andrang gerecht zu werden, wurden sieben Parallelsessions gehalten, die je vor- und nachmittags sechs zwanzigminütige Vorträge eines Themenkomplexes zusammenfaßten. Dazu kamen Hauptvorträge, die zu verschiedenen Zeiten in den Ablauf der Tagung eingefügt wurden. Ein spontanes “Never!” war die Antwort, sowohl von Judith A. Sjoberg als auch vom für das Programm zuständigen Vizepräsidenten Gary L. Glish auf die Frage, ob man über eine Limitierung der Teilnehmerzahl nachdenke. Für alle offen solle die ASMS Conference bleiben, so Glish weiter, und wer wegen verpasster Vorträge klage, solle sich die Webcasts ansehen. In der Tat wurden die Vorträge auf der Website der ASMS allen Mitgliedern zum Nachhören und -sehen angeboten.

Im Vorfeld der Tagung fanden elf ein- bzw. zweitägige “Short Courses” statt, die zusammen 664 Teilnehmer fanden. Deren Qualität wird generell als hoch bewertet, werden sie doch von namhaften Experten angeboten.

Conference Sticker in der Stadt der Autorennen

Trotz oder gerade eben wegen ihrer Größe bietet die ASMS Conference eine wertvolle Plattform, Kontakte zu knüpfen, mit Partnern internationaler Kooperationen zu diskutieren und eine Fülle an Ideen aufzugreifen. Zum intensiven Austausch tragen neben “Workshops” und “Interest Group Meetings” nicht zuletzt die zahlreichen “Hospitality Suites” der größeren Firmen bei, die allabendlich einen willkommenen Rahmen bieten.

Indianapolis Convention Center am frühen Abend

Förmlichkeiten, wie Grußworte sind der ASMS fremd. Mit einem Satz wurde am Sonntagnachmittag der erste Redner einer Tutorial Lecture eingeführt und ebenso unkompliziert kam sein Nachredner ans Pult. Ob man sich ein Ion patentieren lassen könne, war die delikate Frage, die Patentanwalt Michael R. Asam im ersten Tutorial durchaus mit einem Ja beantwortete. Das zweite Tutorial wurde von Scott Gronert beigesteuert, der über Ion-Molekül-Reaktionen im Massenspektrometer sprach – ob man mit der Wahl des Themas ein Zeichen setzen wollte? Apropos Themenschwerpunkte: die ASMS informierte auf einem Poster über die Häufigkeit von Stichworten im Verlauf der letzten Jahre. Demnach führen “Biological Applications” mit rund 4000 Nennungen vor “Instrumentation” (3000) gefolgt von “Non-Bio Applications” (1800). Es folgen gleichmäßig abgestuft “Ionization Methods” (1400), “Fundamentals” (1200), “Chromatography and Purification” (950), “Computer and Calculations” (500) und schließlich “Compound Names and Classes” mit 200 Einträgen. Während die Themen in vergangenen Jahren dem Wachstum der Tagung proportionale Zuwächse verzeichneten, überholten “Non-Bio Applications” 2005 “Ionization Methods” und drängten sie auf den vierten Rang.

Der erste Plenarvortrag wurde von Eugenie C. Scott zu einem ungewöhnlichen, in den USA aber derzeit hochaktuellen Thema gehalten. Eine Ausprägung des Kreationismus, die sich zwischenzeitlich “Intelligent Design” (ID) nennt und die Evolution als unwahr ablehnt, gewinnt an gesellschaftlichem Einfluß, der bis in höchste politsche Ebene reicht. Scott ging es nicht um Religion an sich, sondern um die unseriöse Art, in der ID die Wissenschaft als Ganzes mit einer an den Haaren herbeigezogenen Argumentationskette diskreditiert. Wissenschaft wird sich künftig wohl vermehrt mit gesellschaftlichen, ethischen und religiösen ¿ speziell auch vorgeschobenen ¿ Aspekten auseinandersetzen müssen.

Großer Vortragssaal mit mehreren Projektionsflächen für Slides und Redner-Video

Die Entwicklung der direkten Atmosphärendruck-Ionisationsmethoden schreitet mit großer Geschwindigkeit voran. Seit den ersten Publikationen über Desorption Electrospray/Ionization (DESI) und Direct Analysis in Real Time (DART) Ende 2005 haben etliche Gruppen viel darüber geforscht, was schon 2006 zu kommerziellen DESI- und DART-Quellen führte, die ihrerseits schon vielfältige Anwendungen hervorgebracht haben. Außerdem wurden bald vergleichbare Techniken auf der Basis von Atmospheric Pressure Chemical Ionization und Atmospheric Pressure Photoionization entwickelt.

Weiterhin im Wachstum begriffen sind alle zum Imaging geeigneten Methoden, zu denen sich neben der traditionellen SIMS und etablierten MALDI nun auch entsprechende Derivate von DESI und DART gesellen, ohne jedoch die immense Ortsauflösung der ersteren ansatzweise zu erreichen.

Nach “klein ist schick” folgt dem anhaltenden Trend zur Miniaturisierung eine Entwicklung in Richtung besonders preiswerter Analysatoren. Bezeichnenderweise aus China kam ein Beitrag mit einer linearen Ionenfalle auf der Basis simpler Leiterplatinen anstelle der aufwändig zu fertigenden hyperbolischen Elektroden. Überhaupt scheint die Hemmschwelle, traditionelle Ionenfallengeometrien zu verlassen, völlig gefallen. Zwei scheibenförmige Elektroden mit ringförmigen Leiterbahnen simulierten eine Paul-Falle; das System war jedoch anders die lineare Falle noch einem sehr frühen Stadium.

Life-Musik beim Conference Dinner

Indianapolis ist die zwölftgrößte Stadt der USA und von 85 % der US-Amerikaner in weniger als vier Stunden zu erreichen und von daher für die Ausrichtung der Tagung geradezu ideal. Indianapolis ist eine eher beschauliche Metropole, deren Downtown sich (für Europäer) bequem zu Fuß durchqueren läßt. Die große Mehrheit der ASMS-Teilnehmer, darunter auch die beachtliche deutsche Fraktion, wird sicher wissenschaftlich bereichert von dort heimgekehrt sein.

Downtown Indianapolis

 

Text und Bilder: Jürgen H. Gross, Universität Heidelberg

 

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