Vom 1. bis 4. März 2020 fand die 53. DGMS-Jahrestagung gemeinsam mit dem 27. ICP-MS Anwendertreffen an der Universität Münster statt.
Tagungsort
Münster weckt bei den meisten Menschen hierzulande bestimmte Assoziationen, zu denen gleich nach den Tatortkrimis mit Prof. Boerne und Kommissar Thiel wahrscheinlich noch die Begriffe Fahrradstadt, Regen und daher auch Allwetterzoo gehören. Innerhalb der MS Community dürften dazu MALDI verknüpft mit Franz Hillenkamp und Michael Karas sowie SIMS und Alfred Benninghoven ebenfalls sofort auf dem Schirm auftauchen. Auch heute sind etliche Gruppen an der Universität Münster sehr aktiv und erfolgreich auf verschiedensten Gebieten der MS tätig, was Münster als Veranstaltungsort für eine MS-Tagung bestens qualifiziert.
Tagungsorganisation
Die Kombination aus dem Tagungsort selbst mit der gemeinsamen Veranstaltung der 53. DGMS-Jahrestagung und dem 27. ICP-MS Anwendertreffen brachten stattliche 560 Tagungsteilnehmer nach Münster. Außerdem wurde so der Austausch zwischen den Element-Massenspektrometrie betreibenden Mitgliedern und den übrigen Interessen wieder intensiviert.
Bei der Tagung wurden 9 Plenarvorträge, 90 eingereichte Vorträge, 235 Poster, 8 Workshops und 8 Firmenseminare präsentiert. Für die eingereichten Vorträge waren vier Parallelsession eingerichtet und die Poster wurden hälftig in zwei Nachmittags-Sessions präsentiert. Darüber hinaus waren 19 Firmen aus dem Bereich der MS und Analytik mit ihren Angeboten vertreten. Durch die Vermischung von Posterwänden und Firmenständen war guter Informationsaustausch für alle gewährleistet.
Tagungsauftakt
Eröffnet wurde die Tagung am Sonntagabend von der Vorsitzenden der DGMS, Andrea Sinz (Universität Halle-Wittenberg) gemeinsam mit den lokalen Organisatoren der Tagung, Uwe Karst und Heiko Hayen (beide Univ. Münster). Nach den Grußworten, organisatorischen Ansagen und einigen Hygieneinformationen angesichts des aufziehenden Corona-Virus ging es unverzüglich und zuversichtlich an den wissenschaftlichen Teil der Tagung.
Workshops
Unmittelbar vor Tagungsbeginn wurden am Sonntagnachmittag wieder dreistündige Workshops angeboten. Obwohl das Angebot mit acht Workshops in diesem Jahr außergewöhnlich umfangreich war, fanden alle Workshops guten Zuspruch. In der Reihenfolge des Programms waren die Themen und Ausrichter “Field Ionization, Field Desorption and Liquid Injection Field Desorption/Ionization” (Mathias H. Linden, H. Bernhard Linden, Jürgen H. Gross), “Mass Spectrometry Imaging: Multimodal Approaches” (Andreas Römpp, Bernhard Spengler), „PTB-Workshop: Enabling Comparable Measurement Results through the Implementation of a Metrological Infrastructure” (Claudia Swart, Gavin O’Connor), “Introduction to liquid chromatography for mass spectrometry” (Waldemar Hoffmann, Michael Hoffmann, Martin Penkert), “ToF-SIMS and LEIS: Atomic and Molecular Characterisation of Surfaces and Interfaces” (Birgit Hagenhoff), “Protein Modification and Expression Analysis” (Simone König), “Fachgruppe Core Facilities” (Christof Lenz) und “Applications of Mass spectrometry in Pharmaceutical Industry” (Jürgen Schäfer, Nico Zinn).
Plenarvorträge
Den Wolfgang-Paul-Vortag inbegriffen wurden neun Plenarvorträge präsentiert, die ein sehr breites Spektrum an Themen, diesmal auch Element-MS, abdeckten, so dass die Vielfalt der Massenspektrometrie gut zum Ausdruck kam. Für den ersten Vortrag über „Proteomes in 3D“ war Paola Picotti (ETH Zurich, Schweiz) eingeladen, die allerdings sehr kurzfristig absagen musste. Für sie sprang Thorsten Benter (Univ. Wuppertal) mit seinem Vortrag zu „Charge Retention / Charge Depletion in ESI-MS: Experimental Evidence and Theoretical Rationale“ ein. Die weiteren Plenarvorträge kamen von Jörg Feldmann (Univ. Aberdeen, GB) „Environmental processes need the entire MS toolbox: imaging at cellular level and the combination of elemental and molecular mass spectrometry”, Lars Konermann (Univ. London, Canada) “Exploring the Journey of Proteins from Solution into the Gas Phase during ESI”, Perdita Barran (Univ. Manchester, GB) “Adventures with Dynamic and Disordered Systems and Joy”, René Boiteau (Univ. Corvallis, USA) “Ironing out environmental metal cycles with FTMS”, Maria Montes-Bayon (Univ. Oviedo, Spanien) “Labelled Antibodies and ICP-MS Linked Immunoassays for Quantitative Analysis of Cell Biomarkers: Remaining Challenges”, Jana Roithova (Univ. Nijmegen, NL) “Ion Spectroscopy in the Service of Metal Organic Chemistry” und Susan Richardson (Columbia, USA) “What’s In My Drinking Water? Revealing the Chemicals We Can’t See”. Die Inhalte aller oder auch nur einzelner Vorträge hier wiederzugeben, würden den Umfang dieses Berichts bei weitem sprengen. Es kann aber angemerkt werden, dass die Vortrage allesamt interessant und auf wissenschaftlich hohem Niveau waren und sie teils mitreißend präsentiert wurden.
Wolfgang-Paul-Vortrag
Alexander Makarov (Thermo Fisher Scientific, Bremen) hielt den Wolfgang-Paul-Vortrag mit dem Titel „Orbitrap Mass Spectrometry on a Journey from the Past to the Future“ am Eröffnungsabend der Tagung. Als Entwickler der Orbitrap konnte Makarov nicht nur von den Eigenschaften des leistungsfähigen 2005 eingeführten Analysators berichten, sondern auch die Hürden auf dem Weg zu dessen Entwicklung und seiner nachfolgenden Kommerzialisierung aufzeigen. Darüber gab er Einblicke in seinen Weg vom Studium in Moskau über ein Start-Up in Großbritannien bis zu seiner heutigen Wirkungsstätte in Bremen.
Der Wolfgang-Paul-Vortrag ist eine von der DGMS seit 1997 an herausragende Wissenschaftler vergebene Würdigung maßgeblicher Arbeiten auf dem Gebiet der Massenspektrometrie. Mit der Vortragsreihe wird an Nobelpreis-Träger Wolfgang Paul erinnert, dem wir die Entwicklung von linearen Quadrupol- und Quadrupol-Ionenfallen-Massenspektrometern verdanken.
Mattauch-Herzog-Förderpreis
Mit dem Mattauch-Herzog-Förderpreis 2020 ausgezeichnet wurde Yulin Qi (Tianjin University, China) für “Outstanding Achievements in the Development and Application of FT-ICR Mass Spectrometry”. Der Jury-Vorsitzende Bernhard Spengler (Univ. Gießen) erläuterte zunächst den Mattauch-Herzog-Förderpreis. Dieser wird von der DGMS an Wissenschaftler unter 40 Jahren vergeben, die mit eigenen Arbeiten signifikante Beiträge zur Entwicklung der Massenspektrometrie leisten. Der Preis ist von Thermo Fisher Scientific mit 12500 € dotiert.
Der in diesem Jahr ausgezeichnete Yulin Qi hat die preiswürdige Arbeit bei Dietrich Volmer an der HU Berlin ausgeführt und ist inzwischen an der Tianjin University in China tätig, von wo er infolge der Corona-Krise bedauerlicherweise nicht zur Preisverleihung anreisen konnte. Mit einer kurzen Video-Botschaft dankte er für die Auszeichnung, bevor ihm der Preis in Abwesenheit verliehen wurde. Daher stellte Bernhard Spengler die Arbeit des Preisträgers stellvertretend vor. Schwerpunkte der Forschung von Yulin Qi sind Phasenkorrektur von FT-ICR-Daten und die Nutzung von FT-ICR-MS zur Analyse komplexer Naturstoffgemische.
Preis für Massenspektrometrie in den Biowissenschaften
Jeroen Krijgsfeld (DKFZ, Heidelberg) wurde mit dem „Preis für Massenspektrometrie in den Biowissenschaften“ ausgezeichnet. Hierbei handelt sich um einen reinen Vorschlagspreis, dessen Kandidaten von einer Jury bewertet werden. Der Preis ist von DGMS mit 5000 € dotiert, zu denen Waters mit 3000 € beiträgt. Die Jury-Vorsitzende Kathrin Breuker (Univ. Innsbruck, AT) verlieh den Preis an Jeroen Krijgsveld für “Development of Proteomics MS Approaches to Study Chromatin- and RNA-bound Proteins“. Im Anschluss an die Ehrung gab der Preisträger einen Einblick in seine Forschung.
Wolfgang-Paul-Preise
Im Jahr 2020 vergab die Jury unter Vorsitz von Michael Mormann (Univ. Münster ) einen Wolfgang-Paul-Preis für seine Dissertationen an Tim Esser (AK Knut R. Asmis, Univ. Leipzig, jetzt Univ. Oxford GB) für seine Arbeit “A Cryogenic Mass Spectrometer for Action Spectroscopy of Single Nanoparticles“ und einen Wolfgang-Paul-Preis für die beste Masterarbeit an Carla Kirschbaum (AK Kevin Pagel, FU Berlin) für Ihre Arbeit “Characterization of Isomeric Glycolipids by Cryogenic Gas-Phase Infrared Spectroscopy“. Den beiden Preisträgern gratulierten Jochen Boosfeld (Bruker Daltonik) im Namen der Stifterfirma, Michael Mormann (Univ. Münster) und die DGMS-Vorsitzende Andrea Sinz (Univ. Halle) herzlich. Im Anschluss stellte der Promotionspreisträger seine Arbeit vor. Die Masterpreisträgerin hatte einen Vortrag in einer Session.
Gemäß den Bedingungen der Ausschreibung werden die Wolfgang-Paul-Preise für Dissertationen und Masterarbeiten vergeben, die einen deutlichen Beitrag zur Entwicklung der MS leisten. Dafür stiftet Bruker Daltonik jedes Jahr das Preisgeld, welches zu je 5000 € für die Promotionen und 2500 € für die Masterarbeit aufgeteilt wird.
DGMS Young Scientists Vortragspreis und Ausklang des Agilent Research Summer
Der Agilent Research Summer wurde 2019 letztmalig verliehen. André Knoop (Deutsche Sporthochschule Köln) berichtete von seinem Projekt der Kobaltanalytik bei Sportlern mit ICP-MS von Agilent, um neben der Mengenbestimmung des Kobalts möglichst auch eine Unterscheidung zwischen Kobalt aus Vitamin-B12 (für Sportler legal) und als CoCl2 (als Doping gewertet) zugeführten Kobalt zu erzielen, welches generell gegen Blutarmut verabreicht werden kann und damit leistungssteigernde Wirkung haben kann. Dieser Vortrag wurde im Rahmen der DGMS-Mitgliederversammlung gehalten.
Seit Sommer 2019 hat Agilent sein Engagement auf die DGMS-Fachgruppe Young Scientists verlagert und lobt nun 500 € Preisgeld für den besten Doktorandenvortrag bei deren Sommer School aus. Diesen DGMS Young Scientists Vortragspreis hatte Robin Schmid (Univ. Münster) mit seinem Vortrag “New Developments for Small Molecule Identification using Open Source Software” bei der Summer School der Young Scientists im vergangenen September in Hünfeld errungen. Die Urkunde erhielt er von Christoph Müller (Agilent, Waldbronn) überreicht, bevor er seinen Vortrag in der Metabolomics-Session am Dienstagnachmittag präsentierte.
Poster- und Vortragspreise
Zum Abschluss der Tagung wurden je drei Posterpreise für die Montags- und die Dienstags-Session verliehen, die mit Büchergutscheinen von Springer ABC, Wiley-VCH und der DGMS gesponsort wurden. Die beiden erstplatzierten Poster waren IND-12 von Matthias Raphael Jender (Dortmund) “Coupling Microfluidic Free-Flow Electrophoresis to Mass Spectrometry for the Separation of Biomolecules” und PRS-09 von Julia Hesselbarth (Halle) “Analysis of SNARE complex intermediates by structural mass spectrometry”. Die zweiten Plätze belegten ENV-29 von Maximilian Horstmann (Münster) “Method development for speciation analysis of MRI contrast agents in river and seawater of Sydney (Australia) by μSPE and HILIC-ICP-MS” sowie PRA-16 von Sophia Murr (Stuttgart) “New workflow for the identification of global marker peptides using a LC-MS/MS approach” und die dritten schließlich ENV-08 von Christof Barth (Gießen) “Characterization and Quantification of organic and inorganic compounds from Chinese and Iranian Aerosol Filter Samples by MS Imaging and ICP-MS” sowie IPC-15 von Johannes Oschwald (Nürnberg) “Experimental Determination of Bond Dissociation Energies of Silver(I)-Helicene Adducts”.
Außerdem verlieh die Firma ESI Elemental Service & Instruments einen Preis für den besten Beitrag im Themenbereich ICP-MS. Eine freie Teilnahme an der nächsten European Winter Conference on Plasma Spectrochemistry in Ljubljana (Slowenien) errang Patrick Bücker (Univ. Münster) mit seinem Vortrag im Rahmen des ICP-Anwendertreffens “Gd and La in pharmaceuticals: New insights into their in-body deposition mechanism by means of laser ablation ICP-MS”.
Konferenz-Dinner
Vor dem Konferenz-Dinner im Münsteraner Allwetterzoo konnten die Teilnehmer noch kurze geführte Rundgänge zu einigen Gehegen unternehmen und dann auch noch die Elefanten füttern. Der Kontakt mit den geschickten Rüsseln bereitete allen, die es mit Gurkenstückchen probierten, sichtliche Freude. Danach konnte man selbst zu Tisch gehen, wofür das Zoorestaurant und das Aquarium zur Auswahl standen. Nach dem abwechslungsreichen Abend brachten Busse wieder alle zurück in die Stadt.
54. Jahrestagung 2021 in Dortmund
Die 54. DGMS-Jahrestagung wird organisiert von Albert Sickmann und dem Institut für Spektrochemie und Angewandte Spektroskopie (ISAS) vom 7.–10. März 2021 in Dortmund stattfinden. Wegen Renovierungsarbeiten in den universitären Hörsaalgebäuden wird die Tagung in den Westfalenhallen veranstaltet werden, die zusammen mit dem benachbarten Fußballstadion verkehrstechnisch günstig an den Hauptbahnhof und die Innenstadt angebunden sind.
Als Abrundung dieses Tagungsberichts finden Sie noch eine umfangreiche Bildergalerie von der 53. DGMS-Tagung.
Text und Bilder: Jürgen H. Gross, Universität Heidelberg
Außerdem können Sie die Tagungswebsite mit dem detaillierten Programm besuchen.