Zur 55. Jahrestagung der DGMS ging es in diesem Jahr ziemlich weit in den Süden der Republik, nämlich auf den Campus der TU München in Freising.
Tagungseröffnung
Bernhard Küster und Corinna Dawid hatten in Freising die lokale Tagungsorganisation übernommen. So wie es infolge der Corona-Pandemie auch den Organisatoren der vorangegangenen Tagung 2023 in Dortmund ergangen war, musste das Team eine zweimalige Verschiebung verkraften. Doch nun konnte die Tagung endlich stattfinden und das Freisinger Team durfte die TagungsteilnehmerInnen am Sonntagnachmittag im Hörsaalzentrum begrüßen, um die 55. DGMS-Jahrestagung vom 10.–13. März 2024 zu beginnen.
Nach einem Grußwort durch Gerhard Kramer (Senior Vice President Research and Innovation, TU München) begrüßte der Vorsitzende der DGMS, Thorsten Benter (Univ. Wuppertal), ebenfalls die Anwesenden. Um halbwegs mit den TUM-Sweatshirts mitzuhalten, probierte er es mit einer coolen schwarzen Sonnenbrille zum schwarzen Outfit.
Die Tagungsteilnahme war mit fast 450 TagungsteilnehmerInnen sehr gut. Zum umfangreichen thematisch breiten Programm trugen angemeldete Beiträge in Form von annähernd 200 Postern und zahlreichen Kurzvorträgen bei. Außerdem waren 19 ausstellende Firmen präsent und sogar 22 Firmen unterstützten die Tagung mit Sponsorenmitteln.
Um die Kerntagung herum waren sieben Workshops gruppiert, fünf am Sonntagnachmittag vor der Tagung und zwei im unmittelbaren Anschluss. Im Detail behandelten die Workshops vor der Tagung die Themen „Targeted analysis of proteomics data in Skyline“, “Prosit, Koina, and Oktoberfest: Deep-learning for proteomics research at your fingertips”, LipiTUM Computational Lipidomics: Indepth data analysis methods and tools for everyone”, “Field Ionization, Field Desorption and Liquid Injection Field Desorption/Ionization” und “High-resolution mass spectrometry”. Direkt im Anschluss fanden noch die Workshops „MS Imaging“ und „AI-powered analysis of bottom-up proteomics data with CHIMERYS” statt. Außerdem veranstaltete die DGMS-Fachgruppe LC-MS noch ihr Treffen am Mittwochnachmittag.
Die Verleihung von Preisen und die Vornahme von Ehrungen waren in diesem Jahr auf Blöcke am Beginn und Ende der Tagung konzentriert.
Wolfgang-Paul-Vortrag
Der Vorsitzende der DGMS, Thorsten Benter (Univ. Wuppertal), stellte Kimberly Prather (Scripps Institute, San Diego) als Rednerin für den Wolfgang-Paul-Vortrag vor. Seit 1997 ehrt die DGMS mit der Einladung zu diesem Vortrag eine Persönlichkeit für ihr prägendes Werk auf dem Gebiet der Massenspektrometrie. Kimberly Prather zeigte in ihrem Vortrag wie sich Aerosole entwickeln, dabei eine gewaltige Vielfalt and Substanze und auch Mikroorganismen aufnehmen und somit mobilisieren. Innerhalb von zwei Wochen können durch die Atmosphäre auf diesem Weg Materialien über den ganzen Globus verteilt werden. Luftbläschen, wie sie durch sich brechende Wellen oder auch das Einplätschern von Abwasser in Gewässer erzeugt werden, nehmen dabei ihre Fracht auf und transportieren dann Schadstoffe wie auch Mikroorganismen in die Atmosphäre. Irgendwann kommt all das an Tröpfchen und Partikel gebunden als Aerosol wieder zu uns zurück.
Ehrenmitgliedschaft für Michael Karas
Michael Karas (Univ. Frankfurt) hat maßgeblich zur Entwicklung, grundlegenden Erforschung und Anwendung der so immens wichtigen Matrix-unterstützten Laser Desorption/Ionisation (MALDI) und auch zu Elektrospray-Ionisation (ESI) beigetragen. Um sein Forschungswerk zu würdigen, wurde ihm nach einer Laudatio durch den Vorsitzenden der DGMS, Thorsten Benter, die Ehrenmitgliedschaft der Gesellschaft verliehen. Michael Karas dankte herzlich für die Auszeichnung und merkte an, dass die MS ihm jahrzehntelang nicht nur seine Arbeit, sondern auch sein Vergnügen war. Vor ihm hatten bislang nur die beiden leider bereits verstorbenen Persönlichkeiten Curt Brunnée und Franz Hillenkamp die DGMS-Ehrenmitgliedschaft erhalten.
Wolfgang-Paul Studienpreise
Mit Auszeichnungen ging es dieses Mal am Eröffnungsabend auch gleich weiter. Seit 1997 werden die Wolfgang-Paul-Preise für Dissertationen und Masterarbeiten vergeben, die einen deutlichen Beitrag zur Entwicklung der MS leisten. Das Preisgeld von aktuell 5000 € für die Promotion und 2500 € für die Masterarbeit wird seither von Bruker Daltonics gestiftet. Die Wolfgang-Paul-Studienpreise 2024 erhielten Kim Greis (FU Berlin, Promotionspreis) und Sarah Brandner (TU Darmstadt, Masterpreis). Bei der Verleihung freuten sich mit ihnen Scarlet Koch (Stifterfirma Bruker Daltonics, Bremen) und der Jury-Vorsitzende Michael Mormann (Univ. Münster). Kim Greis erhielt den Promotionspreis für seine Arbeit „Structural Analysis of Glycosyl Cations and Other Intermediates Using Cryogenic Infrared Spectroscopy“, die er in der Gruppe von Kevin Pagel (FU Berlin) angefertigt hatte. Er hatte dann direkt Gelegenheit, seine Ergebnisse in einem Vortag zu präsentieren. Die Masterarbeit von Sarah Brandner, „Influence of Metals on the Confromation, Fragmentation and Redox Chemistry of Peptides and Protein in Native Mass Spectrometry“, bei Frederik Lermyte (TU Darmstadt) wurde auf einem Poster präsentiert.
Preis für Massenspektrometrie in den Biowissenschaften
Der Preis für Massenspektrometrie in den Biowissenschaften ist ein Vorschlagspreis, dessen Preisgeld von 5000 Euro in diesem Jahr von der DGMS übernommen wurde. Die Jury unter Vorsitz von Kathrin Breuker (Univ. Innsbruck) hatte Nicola Zamboni (ETH Zürich) ausgewählt. Zamboni entwickelt und nutzt ausgeklügelte massenspektrometrische Techniken zur Erforschung des Metabolismus von Bakterien und auch Menschen, sowohl im gesunden wie auch im erkrankten Organismus, die er in seinem Vortrag darlegte.
Vortragspreis der DGMS Young Scientists
Bei ihrem Treffen ermitteln die Mitglieder der DGMS-Fachgruppe Young Scientists alljährlich den besten Doktorandenvortrag, der dann auf der nachfolgenden DGMS-Jahrestagung im großen Rahmen präsentiert wird. Er ist zudem mit einem Preisgeld von 500 € ausgestattet, das von Agilent Waldbronn gestiftet wird. Maximilian Horstmann aus der Gruppe von Uwe Karst (Univ. Münster) zeigte in seinem Vortrag Methoden zur ultrasensitiven Bestimmung des rein synthetisch entstehenden Isotops 99Tc, das infolge der unterschiedlichsten Nutzung von Radioaktivität überall verbreitet ist.
Tagungsprogramm
Mit drei Plenarvorträgen und Keynote-Vorträgen in allen der jeweils drei parallel getakteten thematischen Sessions sowie einer Vielzahl eingereichter Vorträge und Poster war das Programm der Tagung gut gefüllt und straff getaktet. Kaffeepausen und Mittagspausen, letztere auf Wunsch in Form eines Lunch-Seminars, ermöglichten aber auch aktiven Austausch unter den TeilnehmerInnen sowie mit den im Foyer des Hörsaalgebäudes ausstellenden Firmen.
Als Plenarvortragende waren diesmal ausschließlich lokale ForscherkollegInnen eingeladen worden, um die Aufwendungen für eingeladene Redner zu minimieren. Am Montagmorgen gab Dirk Haller (TU München) sehr interessante Einblicke in die Analyse und Funktion des Mikrobioms im Verdauungstrakt sowie seine Wirkung auf die Gesundheit bzw. die Ausprägung von Erkrankungen. Ingrid Kögel-Knabner (TU München) erläuterte die mikroskopische Bodenanalytik mittels nanoSIMS. Nicole Strittmatter (TU München) zeigte schließlich, dass MS-Imaging mittels Desorption Electrospray Ionisation (DESI) eine leistungsstarke Technik zur Charakterisierung biologischer Proben wie Geweben oder Pflanzenmaterialien darstellt.
Im Bereich der instrumentellen Entwicklungen, dürfte der neue Multireflektron TOF-Analysator die wichtigste Innovation darstellen, zumal dieses System bereits als Komponente in einem kommerziellen Gerät verfügbar ist. Entwickler Hamish Stewart (Thermo Fisher, Bremen) zeigte die Entwicklung der Multireflektron TOF-Analysatoren bis hin zum neuen Astral-System in seinem anregenden Keynote-Beitrag detailliert auf.
Konferenzabend in der ESO Supernova
Um es gleich vorweg zu sagen: es war es keine echte Supernova, sondern das so benannte Planetarium der TUM in Garching. Bereits am Montagabend wurden die TeilnehmerInnen mit Bussen vom Campus Freising Richtung München zum Planetarium gefahren, wo es bei Fingerfood und Getränken die Möglichkeit gab, eine oder auch mehrere der insgesamt drei Vorstellungen des Planetariums zu besuchen. Um den Kern des Planetariums herum konnte man durch die informative Ausstellung spazieren und so den Wissenshorizont von der Sonne über unsere Erde bis hin zu entlegenen Galaxien erweitern. Daneben blieb genug Zeit für angeregte Unterhaltungen.
Mattauch-Herzog-Preise
Der Mattauch-Herzog-Preis ist vorgesehen für NachwuchswissenschaftlerInnen bis zum vierzigsten Lebensjahr. Er wurde am Ende der Tagung an Jonas Warneke (Univ. Leipzig) und Fan Liu (Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie, Berlin) durch die Jury-Vorsitzende Andrea Sinz (Univ. Halle) und Alexander Harder von der Stifterfirma (Thermo Fisher, Bremen) verliehen. Das Preisgeld von 12.500 € erhielten Fan Liu und Jonas Warneke zu gleichen Teilen. Fan Liu bekam den Preis für ihre Arbeiten zur Entwicklung von Hochdurchsatz-Protein-Crosslinking-Massenspektrometrie. Jonas Warneke erhielt ihn für die Entwicklung von Wegen zur Synthese makroskopischer Mengen von neuen Substanzen durch Reaktion von massenspektrometrisch deponierten Ionen auf Oberflächen. Ihre Arbeiten stellten beide anschließend ausführlich in Vorträgen dar.
Ankündigung der Verleihung Ehrenmedaille der DGMS
Die Verleihung der Ehrenmedaille der DGMS für besondere Verdienste um die Gesellschaft an Michael Linscheid (Humboldt Univ. Berlin) in seinen Funktionen als Vorsitzender und Tagungsorganisator wurde in der Mitgliederversammlung der DGMS angekündigt. Der zu Ehrende konnte leider nicht persönlich teilnehmen und war nur online zugeschaltet. Daher verkündete Thorsten Benter lediglich die geplante Ehrung, die vom DGMS-Vorstand dann auf der Tagung im kommenden Jahr persönlich vorgenommen werden wird.
Posterpreise
Diesmal bestimmt durch das Votum der TagungsteilnehmerInnen wurden die beiden besten Poster prämiert. Die Posterpreise erhielten Michelle Rajkovic (Univ. Wuppertal) für ihr Poster P69, „Investigation of surface-induced dissociation: Molecular dynamics simulation of wall collisions of large droplets formed by ESI” und Diego Fernando Garcia del Rio (Univ. Lille) für sein Poster P07 “Unraveling the ghost proteome (alternative proteome) by cross-linking MS and deep proteogenomics characterization”. Die Auswertung des Votums und die Verleihung der Preise nahm die frühere DGMS-Vorsitzende Andrea Sinz (Univ. Halle) vor. Mit den Preisen sind Buchgutscheine über jeweils 125 € beim Springer-Verlag verbunden, welche die Zeitschrift Analytical und Bioanalytical Chemistry sponsort.
56. Jahrestagung 2025 in Göttingen und Ausklang
Als Novum wird die 56. Jahrestagung der DGMS 2025 von Dienstag bis Freitag stattfinden, nämlich vom 4.–7. März 2025, damit die Überlappung mit den Fastnachtstagen 2025 möglichst gering ausfallen wird. Das mehrköpfige Team von MPI und Universität in Göttingen ist schon intensiv am Vorbereiten und freut sich auf rege Teilnahme bei der Tagung in der Mitte Deutschlands.
In Ergänzung zu diesem Tagungsberichts finden Sie auch noch eine umfangreiche Bildergalerie von der 55. DGMS-Tagung.
Text und Bilder: Jürgen H. Gross, Universität Heidelberg
Außerdem können Sie die https://dgms2024.de/Tagungswebsite mit dem detaillierten Programm besuchen.