21st International Mass Spectrometry Conference (IMSC) vom 20. bis 26. August 2016 in Toronto.
Toronto, Hauptstadt der Provinz Ontario, ist Heimat für 2,6 Millionen Menschen unterschiedlichster kultureller und ethnischer Herkunft. Integration und harmonisches Miteinander scheinen ganz selbstverständlich zu funktionieren. Für eine Stadt dieser Dimension mit riesigen Büro- und Wohnhochhäusern geht es in Toronto sehr entspannt zu. Auch abseits der Hauptstraßen von Downtown fühlt man sich nicht unsicher. Auch diese positive Atmosphäre trug sicher maßgeblich dazu bei, dass Toronto alle Voraussetzungen für die Ausrichtung der 21st International Mass Spectrometry Conference (IMSC) erfüllte, die vom 20.-26. August 2016 dort stattfand.
Nach der IMSC in Bremen 2009 wanderte der Veranstaltungsort einer IMSC erstmals außerhalb Europas, nämlich nach Japan (Kyoto 2012), um nach einem Intermezzo 2014 in Genf nun nach Nordamerika zu gehen. Damit versucht die International Mass Spectrometry Foundation (IMSF), die Tagung stärker als bisher auch jenseits des europäischen Raums zu etablieren. Ob der seit 2012 geltende zweijährige Turnus für die IMSC nicht doch etwas zu dicht ist, bleibt abzuwarten.
Die Canadian Society for Mass Spectrometry (CSMS) hatte sich 2012 erfolgreich als Veranstalter bei der IMSF beworben und fungierte als lokaler Veranstalter der 21st IMSC. Unter dem Vorsitz von Paul Mayer (University of Ottawa) hatte sich ein fünfköpfiges Team der CSMS zusammen mit einem Tagungsbüro um die Organisation und das wissenschaftliche Programm gekümmert.
Zum Auftakt der 21st IMSC wurde den Teilnehmern im Metro Toronto Convention Centre ein Blick auf den farbenfrohsten Teil der kanadischen Kultur geboten als die Tribal Vision Dance Company verschiedene indianische Tänze vorstellte.
Zum Programm der Tagung gehörten Short Courses im Vorfeld, Plenarvorträge, Preisverleihungen, Postersessions ebenso wie angemeldete Vorträge, Firmenstände, die überlebenswichtigen Lunchseminare und natürlich ein Conference Dinner. Das detaillierte Programm ist auf der Tagungswebsite zu finden (http://www.imsc2016.ca).
Samstag und Sonntag vor der Tagung konnten man bei zweitägigen Kursen “Advanced Interpretation of CID Mass Spectra” from LC/MS/MS (Robert D. Voyksner, Raleigh, NC) sowie “Fundamentals of Mass Spectrometry” (O. David Sparkman, Stockton und Jürgen H. Gross, Heidelberg) die Grundlagen und das Handwerkszeug der MS erlernen. Desweiteren wurden eintägige Veranstaltungen zu “Career Paths for Mass Spectrometry in Academia” und “Career Paths for Mass Spectrometry in Industry” als Teil eines Fortbildungsprogramms der York University (Toronto) angeboten.
Der Eröffungsvortrag “Mass spectrometry imaging in the service of human health” wurde von Richard N. Zare (Stanford University) am Sonntag Abend gehalten. Weitere 45-minütige Plenarvorträge fanden jeweils morgens zur Einstimmung statt. Im Einzelnen trugen vor: Vicki H. Wysocki (Ohio State University) “Native MS in structural biology: characterization of non-covalent complexes by SID/IMMS or SID/HRMS”, Derek Muir (Environment and Climate Change Canada) “Expanding the number of chemicals measured in environmental media: challenges for analytical mass spectrometry”, Hervé Cottin (Université Paris-Est Cretail) “The composition of comet 67P/Churyumov-Gerasimenko revealed by the mass spectrometers of the Rosetta mission” und schließlich Xinrong Zhang (Tsinghua University) “Single cell analysis with electrospray mass spectrometry”. Die 254 eingereichten Vorträge wurden in fünf Parallelsessions angeboten, die jeweils den verbleibenden Vormittag und den Nachmittag nach den Postersessions einnahmen. Wer sich danach noch immer nicht von der MS trennen wollte, hatte noch ein paar Workshops zur Auswahl, nach denen man direkt in eine der abends geöffneten Hospitality Suites ziehen konnte.
Von zwölf bis fünfzehn Uhr fanden überlappend mit den Lunchseminaren die Postersessions statt, was dem Besuch der Poster nicht allzu zuträglich war. Leider waren auch nicht alle der rund 580 Poster in der Halle zu finden, weil angemeldete Teilnehmer entweder kurzfristig doch nicht anreisen konnten oder vielleicht auch mal der angekündigte Beitrag gar nicht im Gepäck war.
Curt Brunnée Award
Der Curt Brunnée Award wird für ein herausragenden Beitrag zur instrumentellen Entwicklung in der Massenspektrometrie an Preisträger vergeben, die das 45. Lebensjahr noch nicht überschritten haben. Die Laudatio auf Yury Tsybin (SpectroSwiss, Lausanne) hielt Scott McLuckey (Purdue University) für die Jury. Tsybin hat in seiner Karriere schon einige hochkarätige Forschungsgruppen kennengelernt, selbst eine geleitet und dabei vor allem bei der technischen Entwicklung von Electron Capture Dissociation (ECD) und in der FT-ICR-MS wichtige Beiträge geleistet. Seit kurzem hat er mit einer eigenen Firmengründung das universitäre Umfeld verlassen und widmet sich u.a. der Entwicklung von effektiveren Algorithmen zur Fourier-Transformation in der FT-ICR-MS. Den Curt Brunnée Award empfing er aus den Händen von Ken Miller (Thermo Fisher Scientific, USA).
Thomson Medal
Mit 31 Kandidaten hatten die Vertreter der in der IMSF vertretenen nationalen MS-Gesellschaften eine große Zahl an Vorschlägen für die Vergabe der Thomson Medal eingereicht, die seit 1985 anlässlich der IMSC vergeben wird. Die Thomson Medal ist zur Ehre von Sir J. J. Thomson benannt, der mit seinem Massenspektrographen die MS ins Leben gerufen hat. Thomson Medal wird von der International Mass Spectrometry Foundation (IMSF) selbst ausgelobt. Während der IMSCs werden dann üblicherweise zwei der begehrten Auszeichnungen verliehen. In Toronto wurden Marcos Eberlin (Unicamp, Campinas, Brasilien) und Scott McLuckey (Purdue University, USA) geehrt. Eberlin erhielt die Medaille für seinen maßgeblichen Beitrag zur Etablierung der MS in Brasilien. Scott McLuckey wurde für seine Arbeiten im Bereich der nanoElektrospray-Ionisation von Proteinen und die Entwicklung einer linearer elektrostatischen Ionenfalle, die eine FT-basierte Umsetzung des Ionensignals nutzt und deren Entwicklung noch einiges verspricht, ausgezeichnet.
Lossing Award der CSMS
Die Canadian Society for Mass Spectrometry (CSMS) verlieh den Fred P. Lossing Award and Mel Comisarow, der Mitte der 1970er Jahre die Fourier-Transform Ionencyclotronresonanz (FT-ICR) entwickelt hatte. Damals hatte er zusammen mit Alan Marshall das Konzept erarbeitet. Es war ihm schließlich gelungen, die grundlegenden technischen wie theoretischen Hürden zu überwinden, die es im Unterschied zur FT-NMR aufgrund der erforderlichen Frequenzbandbreite gab. Die Wege von Marshall und Comisarow trennten sich früh, doch wäre die instrumentelle und applikative Entwicklung der FT-ICR-MS ohne Comisarow nicht oder zumindest erst viel später verlaufen.
RCM Travel Award
Die Zeitschrift Rapid Communications in Mass Spectrometry (RCM) vergab ein Reisestipendium an Tiina Kauppila (Universität Helsinki). RCM-Herausgeber John Monaghan (University of Edinburgh) überreichte ihr den Preis. Kauppila erhielt den RCM Travel Award für eine besonders gelungene Publikation zur Kombination von Desorption Atmospheric Pressure Ionization (DAPPI) und Direct Analysis in Real Time (DART) mit Ionenmobilitäts-Massenspektrometrie (IMS-MS).
Journal of Mass Spectrometry Student Awards
Im Rahmen der IMSCs vergibt das Journal of Mass Spectrometry (JMS) Preise an studentische Autoren, die in den vergangenen Jahren maßgeblich an außergewöhnliche Publikationen beteiligt waren. Auf der 21st IMSC gingen diese Preise an Mario Francesco Mirabelli “Observing proton transfer reactions inside the MALDI plume: experimental and theoretical insight into MALDI gas-phase processes”, German Augusto Gómez-Ríos “Fast quantitation of target analytes in complex matrices by solid phase microextraction-mass spectrometry (SPME-MS): recent developments and applications”, Gerard Bryan Gonzales “Collision cross section prediction of deprotonated phenolics in a travelling-wave ion mobility spectrometer using molecular descriptors and chemometrics”, Toru Takarada “New strategy for analysis of the splicing regulatory factors using high-resolution mass spectrometry” und Pedro H. Vendramini “EASI-MSI can be used in clinical analysis without loss chemical information?”.
Bilanz
Den Besuchern der 21st IMSC wurde eine gut organisierte Tagung mit einer Fülle hochwertiger Beiträge geboten. Das großzügig dimensionierte Metro Toronto Convention Centre in der Innenstadt war gut zu erreichen und Toronto machte es leicht, nach den Tagung noch Eindrücke jenseits der MS zu sammeln. Mit offiziell rund 1340 Teilnehmern war die 21st IMSC gut besucht, doch konnte sie nicht ganz an die Zahlen vorheriger IMSCs anknüpfen. Ein Faktor mag sein, dass mit der jährlichen Tagung der American Society for Mass Spectrometry (ASMS), die 6000-7000 Besucher verbuchen kann, der nordamerikanische Tagungsmarkt für MS stark gesättigt ist.
Die Million-Euro-Frage
Nur für den Fall, dass es mal dazu kommen könnte, dass Ihnen die Million-Euro-Frage gestellt wird, sollten Sie sicherheitshalber wissen, woher der Felsbrocken am Fuße des CN Tower stammt. Tipp: Recherchieren Sie grob in Richtung der vorangegangen IMSC.
22nd IMSC in Florenz
Gerade mal “einen Steinwurf weiter” wird die nächste und damit 22. IMSC vom 26.-31. August 2018 in Florenz stattfinden. Der Sprecher des italienischen Organisationsteams, Gianluca Giorgi (Universität Siena), lud die Teilnehmer am Ende der Tagung in den Norden der Toskana ein und versprach kurze Wege und gute Organisation. Die Tagungswebsite der 22nd IMSC (www.imsc2018.it) wird schon aufgebaut.
Text und Bilder: Jürgen H. Gross, Universität Heidelberg