45. DGMS-Jahrestagung in Poznan/PL 2012

Gemeinsame Tagung mit der Polnischen Gesellschaft für Massenspektrometrie

Ein Novum – ohne Zweifel – dass die DGMS-Jahrestagung 2012 nicht in Deutschland, sondern vom 4. bis 7. März 2012 in Polen stattfand. Die Polnische Gesellschaft für Massenspektrometrie (PTSM) hatte angeregt, einmal eine gemeinsame, die nationalen Grenzen überschreitende Tagung zu veranstalten. Und so war schon die Anreise etwas anders und für viele auch weiter als üblich.

Der Berlin-Warschau-Express lässt keine Zweifel: es geht nach Polen.

Ausgerichtet wurde die Tagung von Maciej Stobiecki (Institute of Bioorganic Chemistry PAS, Poland) als örtlichem Organisator in Poznan, der für die gut drei Tage das Konferenzzentrum auf dem Messegelände angemietet hatte, da die Räumlichkeiten seiner Universität für die zu erwartende Teilnehmerzahl nicht ausgereicht hätten. Rund 440 Tagungsteilnehmer, etwa zu einem Drittel polnisch, zu zwei Dritteln deutsch sowie etliche anderer Nationalität brachten eine ungewöhnlich hohe Anzahl an Beiträgen mit nach Poznan. Daher wurden die 241 Poster in zwei Session und die 65 angemeldeten Vorträge in drei Sessions vorgestellt.

Maciej Stobiecki (Univ. Poznan), der lokale Organisator unserer gemeinsamen Tagung in Poznan, begrüßt die Teilnehmer.
Tagungszentrum auf dem Messegelände von Poznan.

Wolfgang-Paul-Vortrag

Den wissenschaftlichen Auftakt der Tagung bildete traditionell der Wolfgang-Paul-Vortrag. In diesem Jahr wurde Michael L. Gross (Washington University, St. Louis, MO) diese Ehre zuteil. In seinem Vortrag “Can Mass Spectrometry Play a Role in Structural Biology?” stellte er ein umfangreiches experimentelles Repertoire zur Untersuchung von Proteinfaltung und -konformation vor. Seine Aufgabe sei es, so M. Gross, chemische Fußabdrücke der Proteine zu suchen und zu deuten. Gleichermaßen amüsant wie auch beeindruckend effektiv war ein Teil einer Photooxidations-Apparatur, nämlich eine Kapillarführung aus Legosteinen.

Michael L. Gross (Washington University, St. Louis, MO) hält den Wolfgang-Paul-Vortrag.
Jürgen Grotemeyer (links) überreicht Michael L. Gross die Urkunde für den Wolfgang-Paul-Vortrag.

Ehrenmitgliedschaft

Erst zum zweiten Mal in der Geschichte der DGMS wurde eine Ehrenmitgliedschaft verliehen. Franz Hillenkamp (Universität Münster) wurde damit für die Entwicklung der Matrix-unterstützten Laserdesorption/Ionisation (MALDI) geehrt. Die Laudatio auf das neue Ehrenmitglied hielt Michael Karas (Universität Frankfurt), der in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre mit ihm zusammen diese Methode in Münster entwickelt hatte. Die maßgeblichen Eigenschaften Hillenkamps, so Karas, seien Interdisziplinarität, Courage und Neugier. Hillenkamp sinnierte bei seinen Dankesworten schmunzelnd über den Gedanken, ob man sich denn über so eine Ehrung wirklich freuen sollte, da sie doch typischerweise eher am Ende des (wissenschaftlichen) Lebens verliehen werde. Da Curt Brunnée, erstes Ehrenmitglied der DGMS 2003, sich noch seines Lebens freut, entschloss sich Hillenkamp die Ehrung als Boten für ein noch langes Leben aufzufassen.

Michael Karas hielt die Laudatio für das zweite Ehrenmitglied der DGMS.
Franz Hillenkamp (links) freut sich mit Michael Karas und Jürgen Grotemeyer über die Ehrenmitgliedschaft in der DGMS.
Franz Hillenkamp bei seinem Vortrag.

Ehrenmedaille

Maciej Stobiecki wurde die Ehrenmedaille der DGMS verliehen, da er mit großem Engagement das Zustandekommen dieser ersten länderverbindenden Tagung von PTSM und DGMS angestrebt und die örtliche Organisation durchgeführt hatte.

Jürgen Grotemeyer (rechts) überreicht Maciej Stobiecki die Ehrenmedaille der DGMS.

Auch die Kultur kam nicht zu kurz. Der Kammerchor der Polnischen Akademie der Wissenschaften, ein Chor, der großteils aus Doktoranden verschiedener Fachrichtungen besteht, brachte einige schwungvolle Werke zu Gehör und zauberte mit “Lolly Pop” ein Lächeln in die Gesichter der Zuhörer. Dass Alicja Szeluga, die Dirigentin der sangesfrohen Gruppe auch hauptberuflich als Chorleiterin arbeitet, war der Aufführung durchaus anzumerken.

Der Kammerchor der Polnischen Akademie der Wissenschaften.

Workshops

Den Sonntagnachmittag vor Tagungsbeginn konnte man zum Besuch eines der vier Workshops nutzen. Fast die Hälfte der Tagungsteilnehmer machte von dem Angebot Gebrauch, sodass je Workshop 41 bis 75 Anmeldungen vorlagen. Die Themen der Workshops im Einzelnen waren  “Fundamentals of Mass Spectrometry” (D. Kuck, Bielefeld und W. Danikiewicz, Warszawa), “Fourier-Transform Mass Spectrometry and Accurate Mass¿ ( W. Schrader, Mülheim und P. Stefanowicz, Wrocław), “Mass Spectrometry Imaging¿ (B. Spengler und A. Roempp, beide Gießen) sowie “Desorption Ionization – An Introduction to FD and MALDI” (J. H. Gross, Heidelberg; H. B. Linden, Leeste und M. Karas, Frankfurt).
Plenarvorträge

Die Plenarvorträgen der Tagung rückten vor allem die Bearbeitung biochemischer Fragestellungen in den Mittelpunkt. Zu diesem Themenkomplex gehörten die Beiträge von Detlef Schröder (Institute of Organic Chemistry and Biochemistry Prague) “Mass spectrometry going towards the condensed phase¿; Thomas J. D. Joergensen (University of Southern Denmark, Odense) “Insights into Protein Structural Dynamics with Hydrogen-Deuterium Exchange Monitored by Mass Spectrometry¿; Michał Dadlez (Institute of Biochemistry and Biophysics, Warszawa University) “RAGE receptor structure and oligomerisation studied by hydrogen-deuterium exchange monitored by mass spectrometry¿ und Jean-Claude Tabet (Université Pierre and Marie Curie, Paris) “Conformational influence on dissociations of multicharged biological complex systems according to ion activation mode¿.

Einen Überblick über DART als eine der wichtigsten Methoden der Ambient MS gab Robert B. Cody (JEOL, Peabody, MA) “DART Mass Spectrometry: Recent Developments and Applications¿.

Rafal Witkowski (Adam Mickiewicz University, Poznan) schließlich gab mit seinem Vortrag “Biochemistry of Polish-German relationships¿ interessante Einblicke in die oft schwierige, immer aber aktive wechselseitige Beziehung beider Länder. Der Tagungsort Poznan war um das Jahr 1000 die Wiege der polnischen Nation, denn Bolesław I. war seit 1025 erster König Polens und wurde auch dort gekrönt. Seine Frau, so Witkowski, stammte aus Köln, wohin sie nach dem Tod des Königs zurückging. Ihr Grab ist daher im Kölner Dom zu finden. In seinem Vortrag ging Witkowski vor allem auf das 18. und 19. Jahrhundert, den Kulturkampf der Polen um ihre Sprache und Konfession sowie die Schwierigkeiten Polens ein, sich durch die  Zeiten als eigenständige Nation zu behaupten.

Detlef Schröder (Institute of Organic Chemistry and Biochemistry Prague).
Robert B. Cody (JEOL, Peabody, MA).
Jean-Claude Tabet (Université Pierre and Marie Curie, Paris).

Conference Dinner

Das Conference Dinner fand ebenfalls im Tagungsze

ntrum statt. Rund die Hälfte der Tagungsbesucher nutzte den Abend für Unterhaltung und Austausch in angenehmen Rahmen. Ein Toast auf die MS und die guten Beziehungen der beiden Gesellschaften brachten Maciej Stobiecki, Jürgen Grotemeyer und Piotr Stevanowicz, der Vorsitzende der PTSM, aus.

Ein Toast auf die MS und die guten Beziehungen der beiden Gesellschaften. Maciej Stobiecki, Jürgen Grotemeyer und Piotr Stevanowicz stoßen gemeinsam an.

Wolfgang-Paul-Preise

Die mit je 5000 Euro dotierten Wolfgang-Paul-Preise für Dissertationen erhielten auf der posener Tagung zum einen Thorsten Jaskolla (Dissertation an der Univ. Frankfurt, Gruppe M. Karas) für seine Arbeit “Analyse und Optimierung der Matrixeigenschaften in der MALDI-Massenspektrometrie” und zum anderen Henrik D. F. Winkler (Dissertation bei Prof. C. Schalley, Freie Universität Berlin) “Gasphasen-H/D-Austausch in der Supramolekularen Massenspektrometrie”. Im Namen der Stifterfirma Bruker Daltonik gratulierten ihnen Verkaufsleiter Jochen Boosfeld ebenso so wie Jury-Vorsitzender Jürgen H. Gross (Universität Heidelberg) und der DGMS-Vorsitzende Jürgen Grotemeyer herzlich. Einen Diplom- bzw. Masterpreis hatte die Jury 2012 ausgesetzt. Obwohl der Preis dieses Mal ausdrücklich auch polnischen Bewerbern offenstand, waren nur  Bewerbungen deutscher Absolventen eingegangen.

Die Verleihung der Wolfgang-Paul-Preise für Dissertationen. Von links stehen Jürgen Grotemeyer, die Preisträger Henrik Winkler und Thorsten Jaskolla, Jochen Boosfeld (Bruker Daltonik) sowie der Jury-Vorsitzender Jürgen Gross. (Bild Jürgen Schmidt, Halle).

Agilent Research Summer

Der Agilent Research Summer repräsentiert eine neue Kategorie von Wissenschaftspreis, dessen Konzept eine Forschungsförderung des Preisträgers in Form eines etwa zweimonatigen Aufenthalts in den Applikationslabors der Stifterfirma vorsieht. Der Preisträger des Jahres 2011, Jens Sproß (Universität Halle-Wittenberg), stelle seine im letzten Sommer gewonnenen Ergebnisse vor. Im Sommer 2012 wird Victoria Elsner (Bergische Universität Wuppertal) die Gelegenheit zur Forschung in Waldbronn haben. Jury-Vorsitzender Wolfgang Schrader (MPI für Kohleforschung, Mühlheim) und Andreas Waßerburger (Agilent, Waldbronn) überreichten die Urkunde an die diesjährige Preisträgerin.

Von links stehen Jürgen Grotemeyer, Andreas Waßerburger (Agilent, Waldbronn), Preisträger 2011: Jens Sproß, Preisträgerin 2012: Victoria Elsner (Bergische Universität Wuppertal) und der Jury-Vorsitzende Wolfgang Schrader.

Mattauch-Herzog-Preis

Der Mattauch-Herzog-Preis mit seinen 12.500-Euro Preisgeld ging an Andreas Römpp (Univ. Gießen) für seine umfassenden Beiträge zur Entwicklung des MALDI-Imagings. Andreas Römpp hat bei der Entwicklung der MALDI basierten Analytik maßgebende Arbeiten vorgelegt. Hoch genaue Bilder von Gewebeschnitten kombiniert mit hochauflösender Massenspektrometrie wurden dadurch erzeugt, dass die Verteilung von zum Beispiel Lipiden, Neuropeptiden und Medikamenten in diesen Geweben präzise dargestellt werden konnten. Er konnte diese Verfahren auf  menschliches Gewebe, Pflanzen und auch Insektenmaterial anwenden und so die histologische Gewebeanalyse auf ein bisher unbekanntes Maß an Aussagefähigkeit, Zuverlässigkeit und Nachvollziehbarkeit heben. Auch die Vernetzung der Imaging-Gemeinde und eine Vereinheitlichung von Datenformaten (www.imzml.org) sind  Gegenstand von Römpps Arbeit.

Jury-Vorsitzender Michael Linscheid (links) und Stevan Horning (Thermo Fisher Scientific) überreichen die Urkunde an Andreas Römpp (rechts).

 

Preis für Massenspektrometrie in den Biowissenschaften

Der von Waters mit 5000 Euro dotierte “Preis für Massenspektrometrie in den Biowissenschaften” wurde in diesem Jahr ausnahmsweise nicht an eine einzelne Person, sondern an ein “Triumvirat”, nämlich Friedrich Lottspeich (MPI Martinsried), Helmut E. Meyer (Ruhr-Uni Bochum) und Roland Kellner (Merck, Darmstadt) verliehen. Wolf Dieter Lehmann (DKFZ Heidelberg) überreichte als Jury-Vorsitzender die Urkunde an die Organisatoren der Martinsrieder “Arbeitstagung für Mikromethoden in der Proteinchemie”. Die Bedeutung der Tagung für die Entwicklung der vielfältigen Methoden der Protein- und Peptidanalytik sei der Grund für diese ungewöhnliche Vergabe. Das innovative Konzept, Firmen zu analytischen Wettbewerben an von den Organisatoren vorgegebenen diffizilen Proben antreten zu lassen, habe sowohl der technisch-methodischen Entwicklung als auch der Weiterbildung der Tagungsbesucher vorzüglich gedient – und das achtzehn mal.

Friedrich Lottspeich (MPI Martinsried), Helmut E. Meyer (Ruhr-Uni Bochum) und Roland Kellner (Merck, Darmstadt, 2.v. r.) erhielten von Wolf Dieter Lehmann (DKFZ Heidelberg, rechts) den “Preis für Massenspektrometrie in den Biowissenschaften”. In der Mitte steht Michael Desor von Waters.
  1. DGMS-Tagung in Berlin

Die nächste Jahrestagung der DGMS wird von Michael Linscheid (Humboldt-Universität Berlin) organisiert und vom 10. bis 13. März 2013 in Berlin-Adlershof stattfinden.

(Von links) H. Bernhard Linden, Buko Lindner und Jürgen Schmidt diskutieren am Poster.

>>> Hier geht es zu großen Bildergalerie der Tagung.

Text und Bilder: Jürgen H. Gross, Universität Heidelberg

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