Nachdem die 54. Jahrestagung zweimal Corona-bedingt verschoben werden musste, konnte sie nun endlich vom 14.–17. Mai 2023 im Kongresszentrum Dortmund stattfinden. Damit nahm die DGMS die Reihe ihrer Jahrestagungen wieder auf.
Für das Team vom Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften (ISAS) waren diese der Corona-Pandemie geschuldeten Neuplanungen mit viel zusätzlicher Arbeit verbunden und sowohl das als auch die starken Preissteigerungen des letzten Jahres verursachten eine erhebliche Kostensteigerung für die Ausrichtung dieser Tagung.
Auf der Tagung schien das aber alles vergessen, denn die rund 450 TagungsteilnehmerInnen waren durchweg erfreut, endlich wieder eine Präsenztagung ohne Einschränkungen besuchen zu können. Nach einhelliger Meinung hat der persönliche Austausch in Pausen oder auch nach dem Tagungsprogramm einen hohen Stellenwert.
Das ISAS in Dortmund hatte mit dieser Tagung schon das dritte Mal die DGMS-Jahrestagung ausgerichtet. Bereits 2011 hatte Abert Sickmann (ISAS) als schon einmal Organisator gewirkt und auch 1991 war das ISAS, zu dieser Zeit noch vertreten durch Michael Linscheid, Veranstalter der Jahrestagung. Zu dieser Zeit war es allerdings noch eine Tagung unserer Vorgängerorganisation, nämlich der AGMS.
Workshops
Wie üblich gab es am Nachmittag vor Tagung schon einige Workshops. Dieses Jahr waren derer sechs im Programm, deren breit gestreute Inhalte vom Umgang mit speziellen Software-Paketen bis zu Ionisationsmethoden und MS-Techniken reichten. Die Themen und Ausrichter im Einzelnen waren „Skyline“ (Robert Heyer, Yvonne Reinders und Roman Sakson, ISAS), „Alternative Ionisation Techniques“ (Joachim Franzke, ISAS), „Lipidomics“ (Anne Bendt, National University Singapore, Sven Heiles, ISAS und Lisa Hahnefeld, Fraunhofer Institut Frankfurt), „Metrology in Mass Spectrometry“ (Thomas Prohaska, Univ. Leoben), „MS Imaging“ (Andreas Römpp, Universität Bayreuth und Bernhard Spengler, Univ. Gießen) sowie „Proteome Discoverer“ (Bernhard Delanghe, Thermo Fisher Scientific).
Tagungsauftakt
Das Ende der Corona-Zeit wurde vom DGMS-Vorsitzenden Thorsten Benter (Univ. Wuppertal) mit einem Bier des gleichnamigen Anbieters genüsslich bei der Begrüßung der TeilnehmerInnen am Sonntagnachmittag zelebriert. Mit Organisator Albert Sickmann stieß er auf eine gute Tagung an und Thomas R. Covey begrüßte er mit einem weiteren Bierchen zum Wolfgang-Paul-Vortrag.
Aus terminlichen Gründen, fand der erste Plenarvortrag „Shaken, not Stirred! – James Bond in the Spotlight of Physics“ von Metin Tolan (Univ. Göttingen) vor dem Wolfgang-Paul-Vortrag statt, mit dem sonst immer die Tagung eröffnet wurde. Tolan nahm die Stunts und die Spezialtechniken des britischen Doppelnullagenten als Physiker unter die Lupe und gab dem Tagungsauftakt mit seinen amüsanten Betrachtungen eine gewisse Lockerheit. Erstaunlicherweise stellten sich ein spektakulärer Stunt mit einem Auto ebenso wie ein Dreisprung über im Wasser liegende Krokodile als machbar und auch tatsächlich so durchgeführt heraus, während andere eher kleine Details als Filmtricks entlarvt wurden.
Dann folgte der Wolfgang-Paul-Vortrag, mit dem die DGMS seit 1997 eine Persönlichkeit für ihr prägendes Werk auf dem Gebiet der Massenspektrometrie ehrt. In diesem Jahr war Thomas R. Covey (AB Sciex, Concord, Ontario) dazu eingeladen worden. Als Geräteentwickler blickte er auf vier Jahrzehnte der Verbesserung von Atmosphärendruck-Ionisationsquellen zurück. In seinem Vortrag „Mining for ions – or where have all the ions gone, long time passing?“ blickte auf die Effizienz, mit der diese Interfaces Ionen in die Gasphase und bis zum Massenanalysator transferieren. Seit den Anfängen hat der erzielte Effizienzgewinn eine Empfindlichkeitssteigerung um den Faktor von rund einer Million bewirkt und damit erst die enorm niedrigen Nachweisgrenzen ermöglicht.
Weiter im Programm
Über die Tagung verteilt wurden sechs weitere Plenarvorträge präsentiert. Dem Ablauf der Tagung entsprechend folgten Jörg Feldmann (Univ. Graz) mit „ICP-MS as a contributing tool to non-target screening in environmental monitoring“, Theodore Alexandrov (EMBL Heidelberg) mit „Spatial single-cell metabolomics reveals metabolic cell states“ und Joachim Richert (BASF SE Ludwigshafen) „-Omics“ and Beyond – Mass Spectrometry as a Key Enabling Platform in Chemical Industry“. Dabei war es auffällig, wie sehr in der industriellen Analytik die Breite der Methoden in Kombination mit einer ausfallsicheren Verfügbarkeit vor der oft ultimativen Spezialisierung in der universitären Forschung steht. Weitere Plenarvorträge hielten Kathryn Lilley (Univ. Cambridge) über „Mapping dynamic re-localization of the subcellular transcriptome and proteome“ und Mario Thevis (Deutsche Sporthochschule Köln) über „Mass Spectrometry in Sports Drug Testing – Advances and Challenges“. Thevis zeigte die Problematik falsch positiver Tests ebenso auf wie er Einblicke in teils recht delikate Bereiche der Aufnahme oder Übertragung von Wirkstoffen gab. Den letzten Plenarvortrag hielt John R. Yates (Scripps Research Institute, La Jolla) zum Thema „Why does deltaF508 CFTR fail to mature and cause Cystic Fibrosis: Interactions, Modifications and in vivo Structure?“. Hier zeigte sich, welche immense Rolle der Bioinformatik zufällt, wenn es darum geht, aus Zehntausenden von Spektren am Ende relevante Information zu gewinnen.
Weiteres wissenschaftliches Programm
Zu den Plenarvortägen kamen in den parallelen Vortrags-Sessions noch 20 Keynote-Vorträge zu den jeweiligen Themen der Sessions und 62 eingereichte Vorträge in insgesamt 21 Sessions, von denen eine in Erinnerung an den kürzlich verstorbenen Michael Przybylski arrangiert worden war. Bei der Tagung wurden außerdem in zwei Nachmittagssessions noch insgesamt 174 Poster präsentiert. Im Foyer hatten 17 Firmen aus dem Bereich der MS und Trenntechniken sowie des Zubehörs ihre Stände aufgestellt und einige Aussteller boten darüber hinaus auch Lunch-Seminare an.
Wissenschaftspreise
Im Unterschied zur ausgesetzten Präsenztagung ging die Forschung in den Jahren 2021 und 2022 bekanntlich weiter, weshalb auch die Wissenschaftspreise der DGMS kontinuierlich ausgelobt und im Rahmen der Online-Mitgliederversammlungen vergeben wurden. Die feierlichen Verleihungen und die Möglichkeit, preisgekürte Arbeiten zu präsentieren, wurde allerdings auf die nächste Präsenztagung verschoben. Bedingt durch den zweimaligen Ausfall standen daher bei der 54. DGMS-Tagung in einigen Kategorien die Preisverleihungen für drei Jahrgänge an.
Mattauch-Herzog-Förderpreise
Der Mattauch-Herzog-Förderpreis wird seit 1988 von der DGMS an WissenschaftlerInnen unter 40 Jahren vergeben, die mit eigenen Arbeiten signifikante Beiträge zur Entwicklung der Massenspektrometrie leisten. Der Preis ist von Thermo Fisher Scientific mit 12500 € dotiert.
Für die Jahre 2021 und 2022 verlieh der vorherige Jury-Vorsitzende Bernhard Spengler (Univ. Gießen) die Preise. Mit dem Mattauch-Herzog-Förderpreis 2021 wurde Jens Soltwisch (Univ. Münster) ausgezeichnet, der maßgeblich bei der Entwicklung der MALDI-Nachionisierungstechnik mitgewirkt hat. Dabei schießt ein zweiter Laser verzögert zum Desorptionslaser und orthogonal zu diesem in das sich ausbreitende Plasma und bewirkt so eine teils bis 100-fache Steigerung der Ionisationseffizienz. Diese Technik ist seit einigen Jahren als MALDI-2 kommerziell verfügbar.
Für das Jahr 2022 ging die Auszeichnung an Charlotte Uetrecht (Uni Siegen und DESY Hamburg). Sie wurde ausgezeichnet für ihre Entwicklung massenspektrometrischer Methoden und Technologien, die wichtige Fortschritte im Bereich der Weiterentwicklung der nativen Massenspektrometrie sowie der Kopplung von Massenspektrometrie und Röntgenbeugung.
Den Preis für das Jahr 2023 erhielt Sven Heiles (Univ. Duisburg-Essen und ISAS) von Jury-Mitglied Silke Merchel (Univ. Wien) in Vertretung der Jury-Vorsitzenden Andrea Sinz (Univ. Halle-Wittenberg) überreicht. Er erhielt den Preis für seine Arbeiten zur strukturellen und lokalen Differenzierung von Lipiden mittels massenspektrometrischer Methoden unter Verwendung von Licht-induzierten Derivatisierungs- und Fragmentierungsreaktionen.
Preis für Massenspektrometrie in den Biowissenschaften
Bei dem „Preis für Massenspektrometrie in den Biowissenschaften“ handelt sich um einen Vorschlagspreis, bei dem eine Jury die Vorgeschlagenen bewertet. Das Preisgeld von 5000 € wird von Waters mit 3000 € sowie von der DGMS mit 2000 € finanziert. In diesem Jahr standen die Verleihungen für die Jahre 2022 und 2023 an. Unglücklicherweise waren zur Tagung kurzfristig sowohl die Jury-Vorsitzende Kathrin Breuker (Univ. Innsbruck) als auch die beiden Preisträger aus unterschiedlichen Gründen nicht in der Lage, zur Tagung anzureisen. Da eine erneute Verschiebung der Verleihungen nicht in Betracht kam, wurden die Preisträger stellvertretend von Marianne Engeser (Univ. Bonn) und Michael Mormann (Univ. Münster) präsentiert. Den Preis 2022 erhielt Andrea Sinz (Univ. Halle-Wittenberg) für ihre Entwicklungen in der Protein-Crosslinking-Massenspektrometrie sowie von spaltbaren Crosslinkern. Der Preis für das Jahr 2023 wurde an Yuri Rappsilber (Univ. Edinburgh und TU Berlin) für seine Arbeiten zur quantitativen Crosslinking-Massenspektrometrie verliehen.
Wolfgang-Paul-Preise
Gemäß den Bedingungen der Ausschreibung werden die Wolfgang-Paul-Preise seit 1997 für Dissertationen und Masterarbeiten vergeben, die einen deutlichen Beitrag zur Entwicklung der MS leisten. Dafür stiftet Bruker Daltonik jedes Jahr das Preisgeld, welches zu je 5000 € für die Promotionen und 2500 € für die Masterarbeit aufgeteilt wird. Der Jury-Vorsitzende Michael Mormann (Univ. Münster) stellte zunächst alle PreisträgerInnen vor. Die Promotionen wurden anschließend in Kurzvorträgen präsentiert, während die Masterpreise mit einem Poster vertreten waren.
Der eine Promotionspreis des Jahres 2021 wurde verliehen an Bing Peng (Gruppen von Oliver J. Schmitz, Univ. Duisburg-Essen und Robert Ahrends, ISAS Dortmund) für ihre Dissertation „Novel Strategies for Targeted Lipidomics in Complex Biological Systems”. Der andere Protomotionspreis ging an Eike Mucha (Gruppe von Kevin Pagel, FU Berlin) für die Dissertation „Vibrational Spectroscopy of Glycans in Helium Nanodroplets”. Den Wolfgang-Paul-Masterpreis erhielt René Kevin Rahrt (Gruppe von Konrad Koszinowski, Univ. Göttingen) für seine Masterarbeit zum Thema „Energy-Uptake of Analyte Ions in Mass Spectrometers”.
Im Jahr 2022 wurde nur der Promotionspreis verliehen. Ihn erhielt Marc Jäger (Gruppe Rolf Schäfer, TU Darmstadt) für seine Dissertation „Optoelektronische Eigenschaften molekularer Halbleitersysteme“. Ein Masterpreis wurde 2022 nicht vergeben.
Die Preise des Jahres 2023 wurden vergeben an Stefan Pieczonka (Gruppe von Michael Rychlik und Philippe Schmidt-Kopplin, TU München) für seine Dissertation „Comprehensive characterization of the beer and brewing metabolome“ sowie an Stefan Wagner (Gruppe von Thomas Prohaska, Univ. Leoben) für seine Dissertation „Development and applications of diffuse gradients in thin films (DGT) techniques for multi-elemental chemical imaging and isotope ratio analysis“. Der Masterpreis 2023 ging an Sarah Nentwich (Gruppe von Charlotte Uetrecht, Univ. Siegen) für ihre Arbeit „Establishing a method for the structural analysis of the effect of heparin on Human Papillomavirus by hydrogen/deuterium exchange mass spectrometry“.
Posterpreise
Am Ende der Tagung wurden auch drei Posterpreise verliehen, die mit Büchergutscheinen von 150–250 € dotiert waren. Den dritten Preis erhielt Wiebke Schultze (Ion mobility-supported hydrogen-deuterium exchange mass spectrometry analysis of p53 tetramerization mutants – An attempt to decrypt the structural dynamics of a prominent tumor suppressor, Univ. Halle-Wittenberg), den zweiten Preis bekam Niklas Pengemann (Detection of plasma ions by coupling a high resolution TOF-MS at minimum distance to EUV-light focus point, Univ. Wuppertal) und der erste Posterpreis ging an Désireé Anna-Maria Schütz (Direct Analysis of Amino Acids With Surface-Assisted Flowing Atmospheric-Pressure Afterglow Mass Spectrometry (SA‑FAPA-MS, Univ. Siegen).
Konferenz-Dinner
Albert Sickmann war es ebenso wie bei der Tagung im Jahr 2011 gelungen, die VIP-Lounge der Dortmunder Fußballstadions für das Konferenz-Dinner zu reservieren. Wer Lust hatte, konnte davor auch noch eine Stadionführung mitmachen, die durch Pressebereich, Kabine und den Spielertunnel hinaus an die Trainerbank und schließlich hoch auf die Südtribüne führte. Bei gutem Essen, Tischfußball und später noch Musik blieben so Einige bis spät in die Nacht beisammen.
55. DGMS-Jahrestagung 2024 in Freising-Weihenstephan
Zur 55. Jahrestagung kehrt die DGMS in ihren angestammten Tagungszeitraum im März zurück. Sie wird vom 10.–13. März 2024 auf dem Campus Freising-Weihenstephan der TU München stattfinden. Die nächste Tagung organisieren Bernhard Küster und Corinna Dawid. Die Einladung war bereits als Poster auf der diesjährigen Tagung zu finden und diese wurde auch persönlich von Bernhard Küster am Ende der Tagung überbracht.
In Ergänzung zu diesem Tagungsberichts finden Sie auch eine umfangreiche Bildergalerie von der 54. DGMS-Tagung.
Text und Bilder: Jürgen H. Gross, Universität Heidelberg
Außerdem können Sie die Tagungswebsite mit dem detaillierten Programm besuchen.