22nd International Mass Spectrometry Conference

Im toskanischen Florenz fand vom 26.–31. August 2018 die 22nd International Mass Spectrometry Conference (IMSC) statt.

Diese Reihe internationaler Massenspektrometrie-Tagungen nahm ihren Anfang 1958 in London; damals brachten rund 80 Teilnehmer 41 Beiträge ein. Zunächst wurden die IMSCs im dreijährigen Turnus abgehalten und waren vornehmlich europäisch geprägt. Die IMSCs etablierten sich zügig, nicht zuletzt weil alle Beiträge in der bekannten Reihe Advances in Mass Spectrometry publiziert wurden. Bei der 7th IMSC, die 1976 ebenfalls in Florenz stattgefunden hatte, waren bereits 600 Teilnehmer mit rund 200 Beiträgen vertreten. Die 22nd IMSC, nun wieder in Italiens Norden, brachte ca. 1700 Teilnehmer aus 68 Nationen, darunter gut 500 Studierende, mit insgesamt 1246 wissenschaftlichen Beiträgen zusammen, von denen 181 als Vortag in einer der fünf Parallelsessions präsentiert wurden.

Die IMSCs werden von der International Mass Spectrometry Foundation (IMSF), einer Dachorganisation der nationalen MS-Gesellschaften, ausgerichtet und finden im Sinne höherer Aktualität seit 2012 alle zwei Jahre statt. Für die 22nd IMSC hatte die Divisione di Spettrometria di Massa (DSM) der Italienischen Chemischen Gesellschaft mit dem Austragungsort Florenz und einem sechzehnköpfigen Organisationsteam unter Federführung von Gianluca Giorgi (Universität Siena) 2014 in Genf den Zuschlag erhalten.

Gianluca Giorgi (Universität Siena) begrüßt zur 22nd IMSC in Florenz.
Die Vorsitzende des IMSF, Cathy Costello (Boston University), eröffnet die Tagung.

Nachwuchsförderung

Nachwuchsförderung durch Reisekostenbeihilfen wurde in vielerlei Gestalt betrieben. Den markantesten Beitrag leistete die IMSF in Form des Nico Nibbering Travel Awards, den Ron Heeren (Universität Maastricht) an 64 studentische TagungsteilnehmerInnen verteilen konnte, die er dazu auf die Bühne bat. Weitere 20 Stipendien für den IMSC-Besuch vergab die DSM-Vorsitzende Donatella Caruso (Universität Mailand) unmittelbar anschließend an italienische Studierende. Auch die DGMS hat die aktive Teilnahme mit einem wissenschaftlichen Beitrag an der IMSC unterstützt und für die Fahrt nach Florenz 17 Reisekostenbeihilfen von je 800 Euro vergeben.

Nachwuchsförderung durch Reisebeihilfen: Die IMSF förderte 64 Studierende mit dem Nico Nibbering Travel Award. Auch die DSM und die DGMS leisteten ihren Beitrag und unterstützten weitere 20 bzw. 17 Studierende aus den Reihen ihrer Mitglieder.

Tagungsprogramm

Wie bei vielen anderen Tagungen auch wurden vorausgehende Short Courses angeboten. Es gab Plenarvorträge, große und kleine Preisverleihungen und viele eingereichte Beiträge. Die Postersessions mit täglich wechselnden Postern fanden in einem sehr geräumigen Foyer statt, in dem auch die Firmenstände untergebracht waren, was für eine gute Interaktion in jeder Richtung sorgte. Etliche Lunchseminare ermöglichten es, ein Mittagshäppchen mit Infos über neueste Geräte und Techniken zu kombinieren. Für alle, die nach dem Tagesprogramm noch Kräfte übrig hatten, wurden von montags bis mittwochs noch elf Workshops zu unterschiedlichsten Themen am Spätnachmittag offeriert. Das detaillierte Programm ist auf der IMSC-Tagungswebsite zu finden (www.imsc2018.it).

Short Courses

Die Short Courses am Samstag und Sonntag vor der Tagung wurden in Räumen der Universität Florenz abgehalten. Das Angebot umfasste fünf Kurse: „Fundamentals of Mass Spectrometry“ (O. David Sparkman, Stockton und Jürgen H. Gross, Heidelberg), „Foodomics & Mass Spectrometry“ (Michele Suman, Parma, Laurent Debrauwer, Toulouse, Fulvio Mattivi, Trento, Laura Righetti, Parma), “Mass Spectrometry Imaging” (Marialaura Dilillo und Liam McDonnell, beide Pisa, Martina Marchetti-Deschmann, Wien, Manuel Galli und Andrew Smith, beide Mailand), „Expanded Newborn Screening by Tandem Mass Spectrometry“ (Giancarlo la Marca, Florenz, Marzia Pasquali, Salt Lake City, Ugo Rocha, Porto) sowie „Solidphase Microextraction: Comprehensive Overview of the Technology and Applications to Analytical Mass Spectrometry” (Janusz Pawliszyn, Tijana Vasiljevic, und Nikita Looby, alle Waterloo, Barbara Bojko, Torun).

Plenarvorträge

Es gab jeweils einen Plenarvortrag pro Tag, wobei drei der sechs von den Preisträgern der beiden Thomson Medals und des Curt Brunnée Awards (s.u.) beigesteuert wurden. Dazu gab es in jeder thematischen Vortragssession zur Einleitung eine 40-minütige Keynote Lecture.
Eröffnet wurde die 22nd IMSC von Marco Leona (Metropolitan Museum of Art, New York) mit seinem Vortrag „At the intersection between chemistry and art: scientific research for the study and preservation of cultural heritage”. Leona zeigte, welche Vielfalt an Pigmenten und Farbstoffen sich die Menschheit in den vergangenen Jahrtausenden zunutze zu machen lernte, wie scheinbar kleine Erfindungen, beispielsweise die Farbtube für Ölfarben, überhaupt erst die Malerei in der freien Natur ermöglichten und wie die Verfügbarkeit von synthetischen Farbstoffen großen Einfluss auf Kulturen und deren Kunst genommen hat.
Richard Caprioli (Vanderbilt University, Nashville) gab in seinem Vortrag “Advances in MALDI imaging mass spectrometry: molecular microscopy in the new age of biology and medicine” einen Abriss über den Stand der Imaging MS.
Helmut Schwarz (Technische Universität Berlin) widmete sich einem Themenkomplex, den man derzeit auf MS-Tagungen als unterrepräsentiert ansehen kann, nämlich der Ionenchemie in der Gasphase (wenn man von IR-Spektroskopie an Ionen absieht). Unter dem Titel „Mass Spectrometry and Theoretical Chemistry in Service of Catalysis Research: A Ménage-à-Trois at Its Best“ belegte er einmal mehr die herausragende Rolle der Metallkatalyse und deren Erforschung bis in die Elementarschritte.

Eröffnungsvortrag von Mario Leona (Metropolitan Museum of Art, New York) über die Chemie und Analytik im Kontext der Erhaltung von Kunstobjekten. (Quizfrage: Wem gehört die Hand auf dem Bild, das er gerade bespricht? Tipp: Chemiker, kurz vor der Französischen Revolution.)
Richard Caprioli (Vanderbilt University, TN) beschreibt den Stand der MALDI-Imaging MS.
Helmut Schwarz (Technische Universität Berlin) gerät bei Metallionen-katalysierten Gasphasenreaktionen ins Schwärmen.

Abendspaziergang

Dank seiner Kulturschätze in den Museen und architektonischen Meisterleistungen der Renaissance, wie der gigantischen achteckigen Kuppel des Doms, zieht Florenz eine gewaltige Besucherschar an. Ein großer Teil der Touristen besucht wohl nur eilig in dichtgedrängten Gruppen gestresst hinter hochgereckten Regenschirmen hereilend zwei Highlights als Teil eines Tagestrips. Entsprechend ist Florenz für den geflissentlichen Tagungsbesucher, der erst Abends aus abgedunkelten Vortragsräumen hinaus ins nachlassende Tageslicht tritt, für Abendspaziergänge sehr attraktiv. Die Scharen sind dann ebenso wie die Mittagshitze einigermaßen abgezogen, so dass man die Plätze und Brücken ohne Gerempel überqueren kann. Zumindest an der Kathedrale Santa Maria del Fiore, dem Palazzo Vecchio und dem Ponte Vecchio sollte man vorbeigehen, bevor man sich in einer der zahlreichen Trattorien, Pizzerien oder Ristorantes gemütlich niederlässt.

Die Kathedrale Santa Maria del Fiore bildet mit ihrer gewaltigen Kuppel das weithin sichtbare Zentrum von Florenz. Wenn man davor steht, hat man kaum eine Chance sie in ihrer Gesamtheit zu bewundern, denn das gelingt am besten durch Besteigen des Campanile oder von einem der Hügel außerhalb der Stadt.
Über den Arno spannen sich die mit Juwelierläden auf beiden Seiten dichtbebauten Bögen des Ponte Vecchio. Tagsüber strömen dort die Massen der Tagestouristen.
Nochmal vecchio (alt), nämlich Palazzo Vecchio und Michelangelos berühmte Statue des David (genauer deren Nachbildung) vor dessen Eingang.

Curt Brunnée Award

Herausragende Beiträge zur instrumentellen Entwicklung in der Massenspektrometrie werden mit dem Curt Brunnée Award geehrt, der an Preisträger vergeben wird, die das 45. Lebensjahr noch nicht überschritten haben. Die Laudatio auf den Preisträger hielt Scott McLuckey (Purdue University) für die Jury. Ausgezeichnet wurde Daniel E. Austin (Brigham Young University), der seine Arbeiten mit seinem Vortrag „Lithographically patterned electrodes for miniaturized ion trap mass spectrometers and other ion optics devices” vorstellte. Leiterbahnen auf Platinen haben breiten Einzug gehalten in unsere Geräte, wo sie als Bauelemente für Ion Funnel, Ionenmobilitäts- oder Stoßzellen u.v.m. eingesetzt werden. Sie ermöglichen darüber hinaus die Herstellung miniaturisierter Massenspektrometer mit geringen Anforderungen an Vakuumqualität und Energieversorgung. Den Curt Brunnée Award empfing Daniel E. Austin aus den Händen von Ken Miller (Thermo Fisher Scientific, USA).

Ken Miller (Thermo Fisher Scientific, links) überreicht den Curt Brunnée Award im Namen der Stifterfirma an Daniel Austin (Brigham Young University, rechts).
Daniel Austin erinnerte an Geräteentwickler Curt Brunnée und seine bekannte Landkarte der Massenanalysatoren.

Thomson Medals

Die Thomson Medal ist zur Ehre von Sir J. J. Thomson benannt, der mit seinem Massenspektrographen die MS ins Leben gerufen hat. Die Thomson Medal wird von der International Mass Spectrometry Foundation (IMSF) selbst ausgelobt und seit 1985 anlässlich der IMSC vergeben.
In Florenz zeichnete die Vorsitzende der IMSF, Cathy Costello (Boston University) auch wieder zwei Wissenschaftler aus. Albert J. R. Heck (Universität Utrecht) wurde für seine Errungenschaften im Bereich der massenspektrometrischen Untersuchung von Proteinkomplexen ausgezeichnet, die er unter dem Titel “Gaining weight in mass spectrometry. From analyzing electrons to intact molecular machineries” vorstellte.
John R. Yates (The Scripps Research Institute, La Jolla) hat den Grundstein für die moderne Proteomics gelegt und große Beiträge zur systematischen und effektiven Peptidsequenzierung geleistet. In seinem Vortrag “Driving Innovation – From a Protein Sequence to a Proteome” zeigte er den Weg von den Anfängen, die auch Anfänge der elektronischen Datenverarbeitung waren, bis zur Gegenwart der Proteomics.

Die Thomson Medals überreichte die Vorsitzende der IMSF, Cathy Costello (Boston University), an John R. Yates III (The Scripps Research Institute, La Jolla, links) und Albert Heck (Universität Utrecht, rechts).
Albert Heck bei seinem Vortrag.
Tagung im Superbreitwandformat (Reminiszenz an die Italowestern?). Sieben Projektionsflächen an der langen Seite der Halle sorgten jedenfalls bei den Plenarvorträgen für stets guten Blick auf die „Folien“. Gerade trägt John R. Yates vor.

Konferenzdinner

Eine Konferenz ohne Konferenzdinner am letzten gemeinsamen Abend kann es nicht geben. Ob und wie das Ereignis in den Köpfen bleibt, hängt von der Örtlichkeit (fast hätte ich Location geschrieben) und natürlich auch vom Dinner selbst ab. Die Villa Viviani, die etwas außerhalb an den Hügeln nordöstlich der Stadtmitte liegt, war jedenfalls eine sehr gelungene Wahl, bot sich doch aus den umgebenden Gärten ein herrlicher Blick auf das abendliche Florenz. Nach Prosecco und toskanischen Antipasti fand das stilvolle Dinner unter freiem Himmel statt. Am späteren Abend war sich Gastgeber Gianluca Giorgi nicht zu schade, zur Auflockerung der gesamten Festgesellschaft das Singspiel „Catarina“ zu spielen.

Häppchen mit Panorama.
Blick auf das abendliche Florenz aus den Gärten der Villa Viviani.
In lauer Abendluft war das Konferenzdinner in den Gärten rund um die Villa Viviani ein sehr angenehmes Ereignis mit hohem Erinnerungswert.

Die nächsten Tagungen der Reihe

Die 23. IMSC wird Ende August 2020 in Rio de Janeiro stattfinden. Dazu lud Marcos Eberlin (Unicamp, Campinas) die Teilnehmer beim Tagungsabschluss nach Brasilien ein. Die übernächste und damit 24. IMSC, das kann man schon mal verraten, wird für uns dann wieder umso näher sein, denn für 2022 hat die Nederlandse Vereniging voor Massaspectrometrie (NVMS) mit dem Tagungsort Maastricht den Zuschlag erhalten.

Text und Bilder: Jürgen H. Gross, Universität Heidelberg

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